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Das mohnrote Meer - Roman

Das mohnrote Meer - Roman

Titel: Das mohnrote Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amitav Ghosh
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Dieser Scheißeschaufler, den du deinen Mann nennst, ist schon so gut wie tot.«
    »Und ich?«, fragte Diti.
    »Du?« Er lächelte und strich ihr von neuem über den Hals. »Mit dir habe ich andere Pläne.«
    »Was für welche?«
    Er fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen und sagte mit rauer Stimme: »Was will man schon von einer Hure?« Seine Hand glitt in den Ausschnitt ihrer cholī und tastete nach einem Halt.
    »Schäm dich!« Diti stieß die Hand weg. »Schäm dich …«
    »Das hier ist doch alles nicht neu für mich«, sagte Bhairo Singh lächelnd. »Ich hab den Getreidesack schon gesehen, und ich weiß, dass er voll ist.«
    »Ich spucke auf dich und deine Schweinereien!«, schrie Diti.
    Er beugte sich lächelnd vor, sodass sein Bauch sich gegen ihre Brüste drückte. »Was glaubst du, wer dir in der Hochzeitsnacht die Beine auseinandergehalten hat? Hast du gedacht, dein Schwager, dieses Jüngelchen, hätte das alles allein geschafft?«
    »Schämst du dich nicht, solche Sachen zu sagen?«, keuchte Diti. »Ich bin schwanger!«
    »Schwanger?« Bhairo Singh lachte. »Ein Kind von einem Aasfresser? Wenn ich mit dir fertig bin, wird seine Brut wie Eigelb aus dir raustropfen.«
    Er verstärkte seinen Griff um ihren Hals, fasste mit der anderen
Hand in ein Regal und fuchtelte dann mit einem Nudelholz vor ihr herum.
    »Was sagst du jetzt, kabutri-kī-mā? Bist du dafür Hure genug?«

    Nicht Ditis Hilferuf, sondern Munias Echo ihres Schreis war auf dem Hauptdeck zu hören, wo Kalua, die Hände mit einem Strick gefesselt, zwischen zwei Silahdars kauerte. Seit Diti weggeführt worden war, hatte er sich ruhig verhalten und gründlich darüber nachgedacht, was er tun würde, wenn es zum Schlimmsten kam. Die Silahdars waren mit Messern und Stöcken nur leicht bewaffnet, es würde also nicht schwer sein, sich von ihnen loszureißen. Aber was dann? Wenn er in den Wachraum stürmte, würde er dort auf viel mehr Männer und Waffen treffen, und ehe er irgendetwas für Diti tun konnte, würde man ihn töten. Viel besser war es, Alarm zu schlagen, sodass es auf dem ganzen Schiff zu hören war, und das perfekte Werkzeug dafür entdeckte er nur wenige Schritte entfernt: die Glocke am Deckshaus. Wenn es ihm gelang, sie zu läuten, würde das die Auswanderer alarmieren, und die Offiziere und Laskaren würden an Deck kommen.
    Zu Hause auf seinem Ochsenkarren hatte Kalua gewohnheitsmäßig gezählt, wie oft das Rad des Karrens quietschte – eine exakte Maßeinheit für Zeit und Entfernung. Jetzt erfüllten die Wogen, die auf das Schiff zurollten, denselben Zweck, und er zählte, wie oft sich der Schoner hob und senkte. Als er bei zehn angelangt war, wusste er, dass etwas nicht stimmte, und genau in diesem Moment hörte er Munias Stimme: »Bhaujī! Was machen die mit dir …?«
    Der Schoner neigte sich so stark, dass Kalua das Schanzkleid schräg unter seinen Füßen spürte und das Deck vor ihm aufstieg wie die Flanke eines Hügels. Mit dem Schanzkleid als
Sprungbrett hüpfte er wie ein Frosch vorwärts und hatte mit einem einzigen Satz bereits die halbe Strecke bis zur Glocke zurückgelegt. Die beiden Silahdars waren so perplex, dass sie sich, als er die Schnur des Klöppels zu fassen bekam, noch immer nicht regten. Die Schnur musste jedoch erst von ihrer Halterung abgewickelt werden, und das gab ihnen genug Zeit, sich auf Kalua zu stürzen. Der eine ließ seinen Stock auf Kaluas Hände niedersausen, der andere warf sich auf seinen Rücken und versuchte ihn auf die Planken zu drücken.
    Kalua ballte seine gefesselten Hände zur Doppelfaust, holte aus und fegte den stockschwingenden Silahdar zu Boden. Noch im selben Schwung packte er den anderen am Arm, zerrte ihn von seinem Rücken herab und schmetterte ihn kopfüber auf die Decksplanken. Dann ergriff er die Schnur, riss sie los und begann die Glocke zu läuten.
    Als die ersten wütenden Glockenschläge ertönten, erfasste eine neue Welle das Schiff und kippte es weit zur Seite. Der eine Wachmann stürzte wieder hin, als er sich aufzurappeln suchte, der andere rutschte bei dem Versuch, zu Kalua zu gelangen, seitwärts weg und prallte mit dem Bauch gegen das Schanzkleid. Halb über Bord hängend, versuchte er verzweifelt, sich an den glitschigen Stützen des Schanzkleides festzuhalten. Da holte die Ibis , fast wie um ihn abzuschütteln, noch weiter über, und eine schäumende Woge riss ihn in die Tiefe.

    Wieder machte das Glockengeläut den Laderaum zu einer Trommel. Als das

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