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Das mohnrote Meer - Roman

Das mohnrote Meer - Roman

Titel: Das mohnrote Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amitav Ghosh
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flankiert, auf dem Achterdeck vernünftig mit den Silahdars zu reden versuchte und ihnen sagte, es sei ihr gutes Recht, Gerechtigkeit zu verlangen, und die bekämen sie auch, aber nur durch die Vollstreckung eines rechtmäßigen Todesurteils und nicht in Form von Lynchjustiz.
    Doch das genügte der aufgepeitschten Meute auf dem Hauptdeck nicht und sie schrien: »Jetzt! Hängt ihn jetzt!«
    Die Rufe setzten tief in Ditis Bauch etwas in Bewegung. Es war, als hätte ihr ungeborenes Kind Angst bekommen und versuchte, die Stimmen, die den Tod seines Vaters verlangten, auszublenden. Sie hielt sich die Ohren zu und wankte in die Arme der anderen Frauen, die sie in ihre Ecke des Laderaums halb trugen und halb schleiften und sie auf die Planken legten.

    »Zurück, ihr Hurensöhne!«
    Einen Moment, nachdem Mr. Crowle das Gebrüll ausgestoßen hatte, knallte ein Pistolenschuss. Auf Befehl des Kapitäns hatte er knapp links neben die Steuerbord-Davits gezielt, während die Silahdars Kaluas fast leblosen Körper fortgeschleift
hatten, um ihn mit einem improvisierten Henkerstrick aufzuhängen. Der Knall ließ sie jäh innehalten, und als sie herumfuhren, sahen sie sich nicht nur einem, sondern drei Paaren von Handfeuerwaffen gegenüber. Der Kapitän und die beiden Steuermänner standen Schulter an Schulter auf dem Achterdeck, ihre Pistolen im Anschlag.
    »Zurück!, hab ich gesagt. Zurück!«
    An diesem Morgen waren keine Musketen an die Bewacher ausgegeben worden, sodass sie nur ihre Lanzen und Säbel hatten. Eine Zeit lang hörte man deutlich das Klirren von Metall auf Metall, während sie, die Hände an ihren Waffen, auf dem Deck hin und her liefen und überlegten, was sie als Nächstes tun sollten.
    Später erinnerte sich Zachary, dass er in dem Moment gedacht hatte, wenn die Silahdars alle zugleich aufs Achterdeck gestürmt wären, hätten sie, die drei Offiziere, sie kaum zurückschlagen können: Nach der ersten Salve wären sie wehrlos gewesen. Kapitän Chillingworth und Mr. Crowle wussten das ebenso gut wie er, aber sie wussten auch, dass sie jetzt nicht klein beigeben konnten. Hätten sie die Silahdars gewähren und Kalua aufhängen lassen, wären die Folgen unabsehbar gewesen. Dass Kalua für den Mord an Bhairo Singh an den Galgen kommen würde, stand ohnehin fest, aber natürlich durfte man die Hinrichtung nicht einem Mob überlassen. Darin herrschte stillschweigendes Einvernehmen zwischen den drei Offizieren: Wenn die Silahdars auf Meuterei aus waren, mussten sie augenblicklich in die Schranken gewiesen werden.
    Der Held des Tages war Mr. Crowle. Er straffte die Schultern, beugte sich über die Nagelbank und wedelte einladend mit seinen Pistolen. »Na los, kommt her, ihr Hurensöhne; steht nicht bloß blöd da und bleckt die Zähne. Zeigt uns, dass ihr alle miteinander wenigstens ein einziges Paar Klöten habt.«

    So wenig wie irgendjemand sonst hätte Zachary bestreiten können, dass Mr. Crowle eine imposante Figur abgab, wie er dastand, in jeder Hand eine Pistole, und die Silahdars unflätig beschimpfte: »… na los, ihr erbärmlichen Feiglinge, wer will als Erster eine Kugel in die Fresse kriegen …« Dabei hatte er einen so blutrünstigen Ausdruck im Gesicht, dass niemand bezweifeln konnte, dass er schießen würde, ohne mit der Wimper zu zucken. Die Silahdars schienen das auch zu spüren, denn nach einer Weile schlugen sie die Augen nieder, und ihr aufrührerischer Zorn verflog sichtlich.
    Mr. Crowle nutzte seinen Vorteil. »Zurück mit euch, zurück, sag ich. Hände weg von dem Kuli.«
    Nicht ohne Murren ließen die Silahdars zögernd von Kaluas hingestrecktem Körper ab und rotteten sich mittschiffs zusammen. Sie wussten, dass sie verloren hatten, und als Mr. Crowle ihnen befahl, ihre Waffen niederzulegen, führten sie den Befehl vorschriftsmäßig wie beim Exerzieren aus und legten ihre Säbel und Lanzen vor der Nagelbank säuberlich auf einen Haufen.
    Jetzt übernahm der Kapitän das Kommando und erteilte Zachary leise einen Befehl. »Reid – bringen Sie die Waffen nach achtern und sorgen Sie dafür, dass sie ordnungsgemäß verstaut werden. Nehmen Sie sich dafür ein paar Laskaren.«
    »Ja, Sir.«
    Unterstützt von drei Laskaren sammelte Zachary die Waffen ein, ließ sie unter Deck bringen und schloss sie in der Waffenkammer weg. Als er nach etwa zwanzig Minuten wieder nach oben kam, herrschte auf dem Achterdeck gespannte Ruhe. Die Silahdars hörten kleinlaut eine Strafpredigt des Kapitäns an.
    »Ich

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