Das mohnrote Meer - Roman
Nabob sein, mit seinem eigenen Sitzplatz bei der Opiumauktion in Kalkutta.« Wie viele andere Fankuai-Kaufleute in Kanton profitierte auch Burnham sehr von seinen Verbindungen zur Kirche, weil mehrere Missionen enge Beziehungen zu den Opiumhändlern unterhielten. Im Jahr 1817, als die Ostindien-Kompanie ihn als selbstständigen Kaufmann unter Vertrag nahm, bot sich ihm eine Chance in Gestalt einer Gruppe chinesischer Konvertiten, die zum College der Baptistenmission in Serampur in Bengalen begleitet werden mussten. »Und wer wäre dafür besser geeignet als Ben Burnham? Ehe man sich’s versieht, ist er in Kalkutta und schaut sich nach einem eigenen Daftar um. Und er findet sogar einen. Der gute alte Roger of Rascally überreicht ihm die Schlüssel für ein Haus in der Strand Road!«
Burnham wollte erreichen, dass man ihn als Bieter bei den Opiumauktionen der Ostindien-Kompanie in Kalkutta zuließ, doch seinen ersten finanziellen Coup landete er dann doch nicht im Chinahandel, sondern dank seiner frühen Schulung in einem anderen Wirtschaftszweig des Empire. »In der guten alten Zeit hieß es immer, aus Kalkutta könne man nur zweierlei Waren exportieren: Thags und Drogen – oder Opium und Kulis, wie manche es ausdrückten.«
Seinen ersten größeren Fischzug machte Benjamin Burnham mit dem Transport von Sträflingen. Kalkutta war zu der Zeit der Hafen, von dem aus die meisten indischen Häftlinge auf eine der vielen Gefängnisinseln des Empire verfrachtet
wurden – Penang, Bengkulu, Port Blair und Mauritius. Wie Schwebstoffe wurden Tausende von Pindaris, Thags, Dacoits, Rebellen, Kopfjägern und Schlägern im lehmigen Wasser des Hooghly abwärtsgeschwemmt und auf die verschiedenen Gefängnisinseln im Indischen Ozean verteilt, auf denen die Briten ihre Feinde gefangen hielten.
Eine Mannschaft für ein Sträflingsschiff zu finden, war alles andere als leicht, denn die meisten Seeleute drehten scharf ab, wenn es darum ging, auf einem Schiff mit einer Ladung von Galgenvögeln anzuheuern. »Not macht erfinderisch, und eines Tages hatte Benjamin Burnham eine Idee, die sich als Goldgrube erweisen sollte: Er wandte sich an einen alten Freund, einen gewissen Charles Chillingworth, einen Skipper, von dem später die Rede ging, es sei auf allen Weltmeeren kein schärferer Hund zu finden als er – kein einziger Sklave, Sträfling oder Kuli hatte sich je aus seinem Gewahrsam befreit und dann noch lange genug gelebt, um damit zu prahlen.« Mit Chillingworths Unterstützung schöpfte Benjamin Burnham Riesengewinne aus dem Abtransport der zahllosen Sträflinge aus Kalkutta, und mit diesem Kapital konnte er sich in noch größerem Stil im Chinahandel engagieren, als er ursprünglich vorgehabt hatte: Nicht lange, und er verfügte über eine ansehnliche eigene Flotte. Er war erst in den Dreißigern, da hatte er bereits zwei seiner Brüder ins Boot geholt, und das Unternehmen hatte sich zu einem führenden Handelshaus entwickelt mit Agenten und Büros in Städten wie Bombay, Singapur, Aden, Kanton, Macao, London und Boston.
»Sehen Sie, das ist der Charme der Kolonien. Ein junger Kerl, der durch die Ankerklüsen gekrochen ist, kann genauso ein großer Sahib werden wie jeder zweimal Geborene aus der Kompanie. In Kalkutta standen ihm alle Türen offen. Bara Khanas im Government House. Sektfrühstück in Fort William.
Keine Bibi so vornehm, dass sie sich hätte verleugnen lassen, wenn er ihr seine Aufwartung machte. Er selbst hatte sich zwar auf den volkstümlichen evangelischen Glauben kapriziert, aber Sie können Gift drauf nehmen, dass der Bischof ihm stets eine Kirchenbank frei hielt. Und dann der krönende Abschluss: Miss Catherine Bradshaw als Ehefrau – eine Memsahib so pakka, wie man es sich nur wünschen kann, die Tochter eines Brigadiers.«
Die Eigenschaften, durch die Ben Burnham es zum steinreichen Kaufmann gebracht hatte, traten auch bei seinem Rundgang durch die Ibis reichlich zutage: Er inspizierte das Schiff von vorn bis achtern, stieg sogar bis zum Kielschwein hinab, kletterte auf den Klüverbaum und erwähnte alles, was eines Kommentars bedurfte, sei es Lob oder Tadel.
»Und wie läuft sie so, Mr. Reid?«
»Ach, sie ist schon eine schöne alte Bark, Sir«, sagte Zachary. »Schwimmt wie ein Schwan und ist wendig wie ein Hai.«
Mr. Burnham lächelte, angetan von Zacharys Begeisterung. »Gut.«
Erst als die Inspektion beendet war, hörte sich der Schiffseigner Zacharys Bericht über die katastrophale
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