Das mohnrote Meer - Roman
sie, wenn er Mund an Mund auf ihr lag, die Beine um ihn schlingen und seinen Kopf zwischen ihren Fußsohlen festhalten konnte; oder wenn es ihr
in den Sinn kam, bäumte sie sich so auf, dass sie ihn emporstemmte und ihn auf der muskulösen Wölbung ihres Bauchs in der Schwebe hielt. Mit dem sicheren Rhythmusgefühl der Tänzerin steuerte sie auch den Liebesakt, sodass Nil nur vage die Zyklen wahrnahm, die ihre Tempoänderungen bestimmten. Und auch der Augenblick der Entspannung war stets absolut unvorhersehbar und doch vollkommen vorherbestimmt, so als würde ein anschwellender, sich beschleunigender tāl den stillen Höhepunkt seines letzten Schlags erreichen.
Doch noch mehr als den Liebesakt genoss er die Momente danach, wenn sie erschöpft auf dem Bett lag, wie eine Tänzerin nach einem schwindelerregenden tihaī , ihr Sari und ihre dupattās um sie herum verstreut, die Schlingen und Knoten auf und neben ihrem Rumpf und ihren Gliedern. Im drängenden Vorspiel zum ersten Akt war nie Zeit, sich ordentlich zu entkleiden: Sein sechs Meter langer Dhoti schlang sich in ihren neun Meter langen Sari, und zusammen bildeten sie noch verschlungenere Muster als ihre verschränkten Gliedmaßen; erst hinterher stellte sich hinreichende Muße ein, um die Freuden einer langsam heraufbeschworenen Nacktheit auszukosten. Wie viele Tänzerinnen hatte Elokeshi eine gute Stimme und konnte erlesene thumrīs singen: Während sie summte, löste Nil dann die Kleidungsstücke von ihren Gliedern und verweilte bei jedem Teil ihres Körpers, den seine Hände für seine Augen und seine Lippen entblößten: den kräftigen, gewölbten Fußgelenken mit ihren klingelnden Silberreifen, den gewölbten Schenkeln mit ihren angespannten Muskeln, dem daunenweichen Schamhügel, der sanften Krümmung ihres Bauches und den schwellenden Brüsten. Und dann, wenn auch das letzte Stück Stoff von ihrer beider Körper abgeschält war, begannen sie von Neuem – die zweite Liebesrunde, lang und langsam.
Heute hatte Nil eben begonnen, Elokeshis Glieder aus dem Kokon ihrer Kleidung zu befreien, als eine unwillkommene Störung in Gestalt eines neuerlichen Wortwechsels auf dem Gang vor der Tür eintrat: Abermals hinderten die Mädchen Parimal daran, seinem Herrn eine Nachricht zu überbringen.
»Lasst ihn herein«, rief Nil ärgerlich. Er zog einen dupattā über Elokeshi, während die Tür schon aufging, machte aber keine Anstalten, seine eigene Kleidung in Ordnung zu bringen. Parimal war sein Leib- und Kammerdiener, seit er laufen gelernt hatte; er hatte ihn in den Jahren seiner Kindheit gebadet und angekleidet. An Nils Hochzeitstag hatte er den zwölfjährigen Jungen auf seine erste Nacht mit seiner Braut vorbereitet und ihn unterwiesen, was zu tun sei. Es gab nichts an Nils Person, was Parimal fremd gewesen wäre.
»Bitte um Vergebung, huzūr «, sagte Parimal im Eintreten. »Aber ich dachte, Sie sollten das wissen: Bara Burnham-Sahib ist hier. Er ist bereits an Bord gekommen. Wenn die anderen Sahibs zum Dinner kommen, was ist dann mit ihm?«
Die Neuigkeit überraschte Nil, doch nach kurzem Überlegen nickte er: »Du hast recht – ja, er muss ebenfalls eingeladen werden.« Nil zeigte auf ein langes Gewand, das an der Wand hing: »Reich mir meinen chogā. «
Parimal brachte den chogā und hielt ihn auf, und Nil erhob sich vom Bett und schlüpfte in die Ärmel. »Warte draußen«, sagte er. »Ich schreibe noch eine Nachricht, die du zu dem Schiff bringen wirst.«
Als Parimal den Raum verlassen hatte, warf Elokeshi ihre Hüllen ab. »Was ist passiert?«, fragte sie und blinzelte schlaftrunken.
»Nichts«, erwiderte Nil. »Ich muss nur schnell eine Nachricht schreiben. Bleib, wo du bist. Es dauert nicht lange.«
Nil tauchte seinen Federkiel in ein Tintenfass und kritzelte
ein paar Worte, überlegte es sich anders und fing noch einmal von vorn an. Seine Hände wurden ein wenig unsicher, als er schrieb, welche Freude es ihm bereite, Mr. Benjamin Burnham in Kürze auf dem Raskhali-Badgero begrüßen zu dürfen. Er hielt inne, holte tief Luft und setzte hinzu: »Ihre Ankunft ist in der Tat ein glücklicher Zufall ganz nach dem Geschmack meines Vaters, des verstorbenen Rajas, der, wie Sie wissen, unerschütterlich an Omen und Vorzeichen glaubte …«
Etwa fünfundzwanzig Jahre zuvor, als sein Unternehmen noch in den Kinderschuhen steckte, war Mr. Benjamin Burnham bei dem alten Raja vorstellig geworden, in der Absicht, eine seiner Liegenschaften als Büro zu
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