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Das mohnrote Meer - Roman

Das mohnrote Meer - Roman

Titel: Das mohnrote Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amitav Ghosh
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Überfahrt von Baltimore an. Er stellte gezielte Fragen und blätterte das Logbuch durch. Am Schluss des Kreuzverhörs zeigte er sich zufrieden und klopfte Zachary auf den Rücken: »Shabash! Sie haben sich glänzend geschlagen in Anbetracht der Umstände.«
    Die einzigen Bedenken, die Mr. Burnham hatte, betrafen vor allem die Laskaren-Mannschaft und ihren Anführer: »Dieser alte Magg von einem Serang: Warum glauben Sie, dass man ihm trauen kann?«
    »Magg, Sir?«, fragte Zachary stirnrunzelnd.

    »So nennt man hier die Arakanesen«, sagte Burnham. »Schon der bloße Name versetzt die einheimischen Küstenbewohner in Angst und Schrecken. Eine üble Sorte, die Maggs – Piraten bis zum letzten Mann, heißt es.«
    »Serang Ali ein Pirat?« Zachary lächelte bei dem Gedanken an seinen ersten Eindruck von dem Serang – und daran, wie absurd er ihm im Nachhinein vorkam. »Er mag ja ein bisschen tatarisch aussehen, Sir, aber ein Pirat ist er so wenig wie ich: Wäre er einer, hätte er sich mit der Ibis davongemacht, lange bevor wir hier vor Anker gegangen sind. Ich hätte ihn ganz bestimmt nicht daran hindern können.«
    Burnham senkte seinen durchdringenden Blick in Zacharys Augen. »Sie legen die Hand für ihn ins Feuer?«
    »Ja, Sir.«
    »Also gut. Aber an Ihrer Stelle würde ich ihn trotzdem nicht aus den Augen lassen.« Mr. Burnham klappte das Logbuch zu und widmete sich der Korrespondenz, die sich im Lauf der Reise angesammelt hatte. Monsieur d’Epinays Brief aus Mauritius schien ihn besonderes zu interessieren, zumal Zachary ihm vorher von der Klage des Pflanzers über sein auf dem Feld verfaulendes Zuckerrohr und den bedrohlichen Mangel an Kulis berichtet hatte.
    Mr. Burnham kratzte sich am Kinn. »Was meinen Sie, Mr. Reid?«, sagte er. »Wären Sie bereit, schon bald wieder nach Mauritius zu gehen?«
    »Ich, Sir?« Zachary hatte gedacht, er würde mehrere Monate an Land verbringen und die Ibis instandsetzen lassen, und wusste im ersten Moment nicht, wie er reagieren sollte. Burnham bemerkte sein Zögern und schob eine Erklärung nach: »Die Ibis wird auf ihrer ersten Reise kein Opium befördern, Reid. Die Chinesen legen sich da in letzter Zeit quer, und solange es nicht gelingt, sie von den Segnungen des Freihandels
zu überzeugen, schicke ich keine Ladungen mehr nach Kanton. Vorderhand wird dieses Schiff deshalb die Aufgaben ausführen, für die es gebaut wurde.«
    Diese Andeutung überraschte Zachary: »Haben Sie vor, es als Sklavenschiff einzusetzen, Sir? Aber ist Sklavenhandel nach Ihren englischen Gesetzen nicht neuerdings verboten?«
    »Doch, das stimmt«, bestätigte Mr. Burnham. »In der Tat, Mr. Reid, das ist die neue Lage. Es ist traurig, aber wahr, dass es viele gibt, die alles tun würden, um den Siegeszug der menschlichen Freiheit aufzuhalten.«
    »Freiheit, Sir?« Zachary glaubte, sich verhört zu haben.
    Seine Zweifel wurden umgehend ausgeräumt. »Jawohl, Freiheit«, sagte Mr. Burnham. »Das ist es doch, was die Herrschaft des weißen Mannes für die niederen Rassen bedeutet, oder nicht? Meines Erachtens, Reid, war und ist der Afrikahandel die größte Befreiungsaktion, seit Gott die Kinder Israels aus Ägypten geführt hat. Denken Sie an die Lage des sogenannten Sklaven in den Carolinas, Reid – ist er nicht ein freierer Mensch als seine Brüder in Afrika, die unter der Knute irgendeines finsteren Tyrannen schmachten?«
    Zachary zupfte sich am Ohrläppchen. »Nun ja, Sir, auch wenn Sklaverei Freiheit ist, schätze ich mich glücklich, keinen Anteil daran zu haben. Peitschen und Ketten sind nicht so ganz nach meinem Geschmack.«
    »Ach, kommen Sie, Reid! Ist denn der Weg ins Gelobte Land nicht immer mit Schmerzen verbunden? Haben die Israeliten nicht in der Wüste gelitten?«
    Zachary wollte sich nicht auf ein Streitgespräch mit seinem neuen Arbeitgeber einlassen und murmelte nur: »Nun ja, Sir, ich würde sagen …«
    Doch das war Mr. Burnham nicht genug. Er musterte ihn
lächelnd und sagte: »Ich dachte, Sie seien ein pakka Bursche, Reid. Und jetzt reden Sie daher wie einer von diesen schrecklichen Reformern.«
    »Finden Sie, Sir?«, fragte Zachary rasch. »Das war nicht meine Absicht.«
    »Dachte ich mir«, sagte Mr. Burnham. »Ein Glück, dass diese Pest noch nicht auf Ihre Heimat übergegriffen hat. Die letzte Bastion der Freiheit, sage ich immer – in Amerika wird sich die Sklaverei noch eine Zeit lang halten. Wo sonst hätte ich ein Schiff wie dieses finden können, das sich so

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