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Das mohnrote Meer - Roman

Das mohnrote Meer - Roman

Titel: Das mohnrote Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amitav Ghosh
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tatsächlich eine große Schlacht an einem Ort ausgetragen worden war, der sich Tri-phal-ghar – »Drei-Früchte-Haus« – nannte.
    Nur allzu gern hätte Jodu ganz dieser Truppe angehört, sich für eine Wache einteilen lassen und sich seinen Platz hoch oben auf der Rah gesucht, doch Serang Ali ließ sich nicht erweichen, und das einzige Mal, als Jodu ihm gegenüber davon sprach, erhielt er als Antwort einen Tritt in den Hintern: »Auf den Mast kommst du höchstens mit der Mastspitze im Arsch …«
    Pinto, der schon alles gesehen hatte, was es auf einem Schiff zu sehen gab, klärte Jodu darüber auf, warum der Serang ihn so auf dem Kieker hatte. »Es ist wegen der jungen Memsahib«, sagte er. »Der Serang hat Pläne mit dem Malum, und er fürchtet, dass sie ihn vom Kurs abbringen wird.«
    »Was für Pläne?«
    »Wer weiß? Aber so viel ist sicher: Er will nicht, dass dem
Malum irgendwas dazwischenkommt, schon gar nicht ein Mädchen.«
    Wie zur Bestätigung wurde Jodu ein paar Tage später zu einer Unterredung mit Zikri Malum ans Spill beordert. Der Malum war offenbar in gedrückter Stimmung und fragte in ziemlich schroffem Ton: »Kennst du Miss Lambert gut, Junge?«
    Jodu kramte seinen beschränkten Bestand an seemännischen Ausdrücken hervor und antwortete: »Jawohl, Sir, von Bug bis Heck.«
    Das schien ihm der Malum übel zu nehmen, denn er wies ihn scharf zurecht: »Also wirklich! Spricht man so von einer Lady?«
    »Entschuldigung, Sir. Hart Luv!«
    Da das offensichtlich zu nichts führte, rief der Malum zu Jodus Entsetzen Serang Ali als Dolmetscher zu Hilfe. Unter dem strafenden Blick des Serangs gab Jodu lakonische Antworten auf die Fragen des Malums: Er kenne Miss Lambert eigentlich so gut wie gar nicht, schließlich sei er nur ein Bediensteter im Haus ihres Vaters gewesen.
    Er atmete erleichtert auf, als Serang Ali sich von ihm abwandte und für den Steuermann übersetzte: »Schiffjung sagt, Vater ihr geh Himmel auf-auf. Vater immer mach rum mit Baum. Setz Pflanz. Hab nix Geld in Tasch. Miss schnappi Vater Nummer zwo, Mr. Burnham, wenn Vater eins geh Himmel auf-auf. Jetz sie viel gliklich. Ess ganz groß Reis. Besser Malum Zikri vergiss. Wie kann lern segel Schiff, wenn denk nur an Lady? Besser mach selb-selb bis komm Zeit Heirat.«
    Das brachte den Malum in Rage: »Verflucht noch mal, Serang Ali!«, schrie er und sprang auf. »Hast du denn immer nur deine Schweinerein im Kopf?«
    Wutentbrannt ließ der Malum ihn stehen, und kaum war er außer Sicht, verpasste der Serang Jodu eine saftige Maulschelle.
»Willst ihn verkuppeln, wie? Eher bist du tot, du kleiner Hurenhöker.«
    Als Jodu ihm davon erzählte, schüttelte Pinto verwundert den Kopf. »So wie der Serang sich aufführt, könnte man meinen, er will den Malum für seine eigene Tochter aufsparen.«

    Diti und Kalua wussten, dass ihre Flucht am ehesten gelingen würde, wenn sie auf dem Ganges flussabwärts fuhren, in der Hoffnung, eine kleinere oder größere Stadt zu erreichen, in der sie sich in der Menge verlieren konnten, Patna vielleicht oder sogar Kalkutta. Nach Patna war es sehr viel näher, aber auch dorthin würden sie noch immer gute zehn Tage brauchen, und wenn sie die Strecke auf der Straße zurücklegten, riskierten sie, entdeckt zu werden. Die Nachricht von ihrer Flucht hatte sich mit Sicherheit herumgesprochen, und wenn sie gefasst wurden, hatten sie keine Gnade zu erwarten, auch nicht von ihren eigenen Verwandten. Die Vorsicht gebot es daher, auf dem Wasser zu bleiben und mit Kaluas behelfsmäßigem Bambusfloß weiterzureisen, so lange es sie tragen konnte. Zum Glück gab es am Ufer genug Treibholz, mit dem sie es verstärken, und reichlich Schilf, aus dem sie Seile anfertigen konnten. Nachdem sie einen Tag damit zugebracht hatten, das gebrechliche Wasserfahrzeug instand zu setzen, fuhren sie ostwärts den Fluss hinab weiter.
    Zwei Tage später kam das Haus in Sicht, in dem Kabutri nun bei der Familie von Ditis Bruder lebte. Nachdem Diti es entdeckt hatte, war es ihr unmöglich weiterzufahren, ohne einen Versuch zu unternehmen, ihre Tochter zu sehen. Dass es bestenfalls ein sehr kurzes Treffen sein konnte, das viel Heimlichkeit und Geduld erforderte, wusste sie, doch da sie das Gelände kannte, war sie zuversichtlich, sich versteckt halten zu können, bis sie Kabutri allein antraf.

    Das strohgedeckte Haus, in dem Diti aufgewachsen war und das nun ihr Bruder mit seiner Familie bewohnte, stand an der Mündung des Karamnasa, eines

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