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Das Molekular-Café

Das Molekular-Café

Titel: Das Molekular-Café Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: diverse Autoren
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gemütlichen Abend machen.
Ich wollte ihr eine Freude bereiten und dachte mir eine Frucht aus, die
in der Form an eine Apfelsine, im Geschmack an Eis und im Geruch an ihr
Lieblingsparfüm erinnerte. Sie lächelte und biß tapfer
ein großes Stück ab.
Ich mag es, wenn Ljulja lächelt, dann liebe ich sie noch mehr.
Als wir uns in den Denkflieger setzten, um nach Hause zu fahren, sagte
Ljulja, diese altmodischen Molekular-Cafés seien sehr
hübsch und das Essen schmecke dort weit besser als das zu Hause,
das von einer Zentralstation aus synthetisch zubereitet wurde.
Ich dachte mir, das rühre sicherlich daher, daß sich bei der
Synthese per Draht verschiedene Störungen einschlichen.
Abends brach Ljulja plötzlich in Tränen aus. Sie sagte,
synthetische Nahrung sei ekelhaft, sie hasse die Kybernetik und wolle
am Busen der Natur liegen, zu Fuß gehen, eine Ziege melken und
richtige Milch trinken, mit leckerem Roggenbrot dazu. Außerdem
sagte sie, die suggerierten Empfindungen seien eine Parodie auf
menschliche Gefühle.
Mischka fing auch zu heulen an und erklärte, das
Meßgerät für Betragen sei eine gemeine Erfindung und im
Altertum habe ein Junge namens Tom Sawyer gelebt, der sei prima ohne
ausgekommen. Mischka fügte hinzu, er sei in einen Elektronikzirkel
eingetreten, nur um zu lernen, wie er das Meßgerät bemogeln
könne, und wenn ihm das nicht gelänge, werde er sich ein
Katapult bauen und den dämlichen Automaten damit erschießen.
Ich beruhigte die beiden, so gut ich konnte, obwohl mir auch der
Gedanke kam, daß das Museum der Gerüche keine so
großartige Erfindung sei, außerdem dachte ich an das
Pseudobeefsteak. Aber wahrscheinlich waren wir nur müde vom
Bestellen im Café.
Wir gingen schlafen.
In der Nacht träumte ich, ich hätte einen Zweikampf mit einem
Bären zu bestehen, danach saßen wir am Feuer und aßen
leckeres Bärenfleisch, das nach Blut und Rauch duftete.
Mischka stopfte sich gewaltige Stücke in den Mund, und Ljulja
lächelte ihr wunderschönes, ein bißchen verlegenes
Lächeln.
Ich war unvorstellbar glücklich im Traum, denn – habe ich es
Ihnen schon gesagt? – ich liebe Ljulja und Mischka sehr.
Ilja Warschawski
Das Duell
    Auf dem letzten Treppenabsatz machte er einen Satz übers
Geländer und stürmte piroggenkauend durchs Vestibül.
    Es blieb gerade noch soviel Zeit, um am Anfang der
Allee Posten zu beziehen. Dort würde er sich auf eine Bank
fläzen, in aller Ruhe das »zweite Studienjahr«
abwarten und sie zum Fußball einladen. Anschließend
könnten sie im Studentencafé zu Abend essen und
danach… Über das Danach war er sich noch nicht
schlüssig. Er verließ sich aber ganz auf seine Intuition.
    In Gedanken war er schon im Park, da ertönte
aus dem Lautsprecher eine Stimme: »Student Mucharinski, erstes
Studienjahr, Phenotyp-Index 1386/16 mb, wird gebeten, sich
unverzüglich beim Dekan der Fakultät für Hoch- und
Niederfrequenztechnik zu melden.«
    Auf Biegen oder Brechen mußte er sich etwas
einfallen lassen. Bis zur rettenden Tür waren es nur ein paar
Schritte. Er schürzte die Lippen, stellte mit den Fingern seine
Ohren auf, kniff das linke Auge zu und begann das rechte Bein
nachzuziehen. So, dachte er, könnte er sich leichter am
Phenotyp-Analysator vorüberschlängeln.
    »Lassen Sie die Albernheiten, Mucharinski!«
Das war eindeutig die Stimme des Dekans.
Zu spät!
Während des Bruchteils einer Sekunde hatte die analytische
    Anlage ihn nach dem vorgegebenen Index unter
einigen tausend Studenten herausgefunden. Und nun schmückte seine
fratzenschneidende, hinkende Gestalt den Bildschirm im Arbeitszimmer
des Dekans.
    Mucharinski stellte sein normales Aussehen wieder
her. Das Auge kniff er allerdings auch dann noch zu, als er sein Knie
zu massieren begann. Damit wollte er beim Dekan den Eindruck erwecken,
als hätte er plötzlich einen Rheumaanfall.
    Ächzend und humpelnd stieg er zum zweiten Stock hoch.
    Interessiert nahm der Dekan ihn ein Weilchen in
Augenschein. Dem feierlichen Augenblick gemäß hatte
Mucharinskis Gesicht einen Ausdruck wehmütiger Konzentration
angenommen. In Gedanken überschlug er, wieviel Zeit er brauchte,
um die Kleine aus dem zweiten Studienjahr einzuholen, wenn der
Dekan…
    »Sagen Sie mal, Mucharinski, interessiert Sie überhaupt etwas im Leben?«
Nach Mucharinskis Meinung eine rein rhetorische Frage.
Schließlich interessierte ihn mancherlei. Erstens, wem er den
Vorzug geben sollte, Natascha oder Mussja; zweitens der Tabellenplatz
von

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