Das Molekular-Café
»Spartak« in der Oberliga; drittens die Puppe aus dem
zweiten Studienjahr; viertens… mit einem Wort, sein
Interessengebiet war groß. Den Dekan einzuweihen, lohnte sich
natürlich nicht.
»Der Beruf des Rundfunkingenieurs«, sagte er bescheiden.
Das war fast die Wahrheit, denn all sein Sinnen und Trachten verband
sich mit dem Aufenthalt in der Studentenstadt, in die man bekanntlich
zieht, um… und so weiter.
»Dann können Sie mir vielleicht auch erklären, warum
Sie am Ende des zweiten Semesters nicht eine Zwischenprüfung
bestanden haben.«
Gemeinheit, dachte er, ich fresse einen Besen, wenn sie mich nicht exmatrikulieren.
»Vielleicht ist das Spezifikum der maschinellen Ausbildung…«, begann Mucharinski zögernd.
»Genau das ist es, das Spezifikum«, unterbrach ihn der
Dekan. »Drei Lehrautomaten haben es bereits aufgegeben, sich mit
Ihnen zu befassen. Worauf spekulieren Sie eigentlich?«
Taktisch unklug wäre es, die Frage direkt zu beantworten.
Gedankenverloren trommelte der Dekan auf dem Tisch herum. Mucharinski
sah zum Fenster hinaus. Die Rotblonde aus dem zweiten Studienjahr ging
gerade durch die Allee. In Begleitung. Der lange Lulatsch in hellblauem
Sporthemd hatte Paddel geschultert. Klarer Fall, wie’s schien.
Die Karte fürs Fußballspiel konnte nun jemand anders
bekommen. Es gibt dort immer eine ganze Menge hübsche
Medizinerinnen.
»Ich möchte Sie nicht exmatrikulieren, ohne mich von der
absoluten Aussichtslosigkeit des Unterfangens, Ihnen eine
Ingenieurausbildung zu vermitteln, überzeugt zu haben.«
Am liebsten hätte Mucharinski jetzt einen Kopfstand gemacht, doch das war riskant.
»Ich freue mich«, sagte er, den Niedergeschlagenen
spielend, »daß Sie noch eine Möglichkeit für mich
sehen…«
»Ginge es um Ihre Möglichkeiten, so wären Sie schon
längst nicht mehr hier. Ich spreche von den Möglichkeiten der
Lehrautomaten, und die sehe ich, dessen kann ich Sie versichern. Haben
Sie jemals etwas vom UDR vernommen?«
»Gewiß, das ist doch…«
Die Pause wurde bedrückend.
»Natürlich, ausgerechnet Sie haben davon gehört«,
sagte grinsend der Dekan. »Sie lesen wahrscheinlich auch alle
Arbeiten des Lehrstuhls für Lehrautomaten. Der UDR ist ein
Universaldozent mit Rückführung. Ich hoffe, Sie wissen, was
Rückführung bedeutet.«
»In groben Zügen«, sagte Mucharinski vorsichtig.
»Ich werde den UDR auf dem Internationalen Kongreß in Wien
vorführen. Im Augenblick unterrichtet er zur Ermittlung seiner
Funktionstüchtigkeit eine Studentenkontrollgruppe. Ich möchte
nicht administrativ den durchschnittlichen Leistungsstand seiner
Schüler senken, aber der elementarste Anstand eines
Wissenschaftlers verlangt, daß der Automat auch an einem
solchen… hm… einem solchen… nun, mit einem Wort,
an Ihnen getestet wird. Der langen Rede kurzer Sinn: Ich schließe
Sie der Kontrollgruppe an.«
»Danke.«
»Ich nehme an, er wird Ihnen wenigstens ein Minimum an Wissen beibringen, sein Schema…«
Die Schemata des Automaten waren Mucharinski schnuppe. Er behielt den
Ausdruck angestrengter Aufmerksamkeit bei, dachte aber mit Bedauern
daran, daß die erste Halbzeit sicherlich schon zu Ende ging und
Natascha zu guter Letzt…
»… Auf diese Weise bildet Ihr Gehirn während des
Unterrichts eine Einheit mit der analytischen Anlage des Automaten, der
ununterbrochen die Unterrichtstaktik verändert, je nach der
Aufnahmefähigkeit des Studenten. Verstanden?«
»Verstanden.«
»Gott sei Dank! Sie können gehen.«
… tausenddreihundertzweiundvierzigster
logischer Vorstoß, sechzehnte Variante des Lehrsatzbeweises! Und
wieder gibt die Blockieranlage das Signal: »Der Lehrstoff wurde
nicht aufgenommen.« Veränderung der Taktik. Ein neuer
logischer Vorstoß. Der Beweis des Lehrsatzes verlangt
Elementarkenntnisse im Rahmen des Oberschulpensums. Kommando:
»Vermittlung von Grundlagen der Algebra.«
Signal: »Der Stoff wurde nicht
verstanden.« Umschaltung auf den Lehrsatzbeweis. Am Ende des
Beweises das Signal: »Grundkenntnisse sind
verschüttet.« Wieder das Umschaltkommando. Abermals
logischer Vorstoß. Am Armaturenbrett flackert ein Signal auf:
Kurzschluß. Rauch entweicht dem Leistungstransformator. Der
Automat schaltet sich aus.
Mucharinski nimmt den Dipol vom Kopf und wischt
sich den Schweiß ab. Das war noch nicht da! Jetzt empfindet er
beinahe Sympathie für den alten elektronischen LektorExaminator.
Mit ihm war es unvergleichlich leichter: Die ganze Lektion konnte man
getrost verschlafen und
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