Das Molekular-Café
war außer sich.
Meine Frau legte den Teelöffel hin und sagte zu mir: »Mit
dir kann man nie in Ruhe essen. Mußt du denn mit ihm
anbändeln? Du hast den armen Roboter mit deinen dummen
Spaßen ganz hysterisch gemacht.«
Sie wischte sich die Tränen weg und verließ das Zimmer.
Schweigend, mit hocherhobenem Kopf folgte ihr meine
Schwiegermutter.
Robbi und ich blieben allein.
Jetzt legte er erst richtig los.
Das Wort »dumm« zog eine Lawine von Synonymen aus
seinem erweiterten Lexikon hervor.
»Dummkopf!« brüllte er mit aller Kraft seiner Lautsprecher.
»Trottel! Idiot! Kretin! Wahnsinniger! Psychopath!
Schizophrener! Lache, du degenerierter Kerl, denn es ist
komisch! X ist nicht gleich Y, weil Y gleich X ist, ha-ha-haha!«
Ich habe keine Lust, diese widerliche Szene bis zum Ende
wiederzugeben. Ich fürchte, ich habe mich auch nicht so
benommen, wie es sich für einen wackeren Mann gehört.
Von einem Hagel Schimpfwörter überschüttet, ballte ich
im ohnmächtigen Zorn die Fäuste, kicherte feige und versuchte,
den außer Rand und Band geratenen Roboter zu beruhigen.
»Lach lauter, du hirnloses Vieh!« Robbi ließ nicht
locker.
»Ha-ha-ha-ha!«
Am nächsten Tag verordnete mir der Arzt Bettruhe, weil
mein Blutdruck jäh gestiegen sei…
Robbi war sehr stolz auf seine Fähigkeit,
optische Eindrücke zu identifizieren. Er besaß ein
verblüffendes visuelles Gedächtnis, und das ermöglichte
es ihm, aus Hunderten komplizierter Muster eines herauszufinden, das er
schon einmal flüchtig gesehen hatte.
Ich gab mir Mühe, diese seine Fähigkeit
noch zu steigern. Im Sommer fuhr meine Frau in Urlaub, meine
Schwiegermutter war zu Besuch bei ihrem Sohn, und ich blieb mit Robbi
allein in der Wohnung.
»Um dich mache ich mir keine Sorgen«, hatte meine Frau zum
Abschied gesagt, »Robbi wird sich um dich kümmern. Sieh zu,
daß du ihn nicht kränkst.«
Es war heiß, und ich ließ mir wie immer zu dieser Jahreszeit den Kopf kahl rasieren.
Als ich vom Friseur nach Hause kam, rief ich nach Robbi. Er erschien sofort.
»Robbi, machen Sie mir bitte etwas zu essen.«
»Alle Nahrungsmittel in dieser Wohnung und alle Gegenstände
darin mit Ausnahme der kommunalen Einrichtungsstücke gehören
dem Wohnungsinhaber. Ich kann Ihrer Forderung nicht nachkommen, denn
sie stellt einen Versuch dar, sich fremden Besitz anzueignen.«
»Aber ich bin der Inhaber dieser Wohnung.«
Robbi trat dicht an mich heran und musterte mich aufmerksam von Kopf bis Fuß.
»Ihr Aussehen entspricht nicht dem Aussehen des Wohnungsinhabers,
wie es in meinen Gedächtniszellen gespeichert ist.«
»Ich habe mir nur die Haare abschneiden lassen, Robbi, aber
deswegen bin ich doch derselbe wie früher. Erkennen Sie meine
Stimme nicht?«
»Eine Stimme kann man auf Magnetband aufnehmen«, bemerkte Robbi trocken.
»Aber es gibt doch noch Hunderte von anderen Merkmalen als
Beweis, daß ich wirklich ich bin. Ich habe Sie immer für
fähig gehalten, solche elementaren Dinge zu begreifen.«
»Äußere Bilder sind eine objektive Realität, die
von unserem Bewußtsein unabhängig sind.«
Seine aufgeblasene Selbstsicherheit ging mir allmählich auf die Nerven.
»Ich muß schon seit langem ein ernstes Wort mit Ihnen
reden, Robbi. Mir scheint, es wäre weit nützlicher für
Sie, sich das Gedächtnis nicht mit so komplizierten Begriffen
vollzustopfen, sondern statt dessen mehr an die Erfüllung Ihrer
eigentlichen Pflichten zu denken.«
»Ich rate Ihnen, diesen Raum zu verlassen«, ratterte er
los. »Verlassen Sie ihn, verschwinden Sie, entfernen Sie sich,
gehen Sie weg. Sonst werde ich gegen Ihre Person physischen Zwang
anwenden, Gewalt, Kraft, Nötigung, Schläge, Hiebe,
Prügel, Verletzungen, Traumata, Verstümmelungen.«
Leider wußte ich zur Genüge, daß es nutzlos war, mit Robbi zu streiten, wenn er so anfing.
Überdies fand ich die Aussicht, von ihm eine Maulschelle zu bekommen, nicht eben verlockend. Er hatte eine schwere Hand.
Drei Wochen verbrachte ich bei meinem Freund und ging erst nach der Rückkehr meiner Frau wieder nach Hause.
Zu dieser Zeit waren mir die Haare schon ein wenig nachgewachsen.
Robbi hat sich in unserer Wohnung völlig
eingelebt. Allabendlich steht er vor dem Fernseher. Die übrige
Zeit kramt er eitel in seinem Schema und pfeift dabei irgendeine
Melodie vor sich hin. Bedauerlicherweise hat ihn sein Konstrukteur
nicht mit musikalischem Gehör ausgestattet.
Ich fürchte, sein Streben nach
Selbstvervollkommnung nimmt unmoralische Formen an. Die
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