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Das Mondkind (German Edition)

Das Mondkind (German Edition)

Titel: Das Mondkind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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schüttelt sein dichtes Fell und schleudert geschmolzenen Schnee und vereiste Bröckchen Schneematsch um sich. Dieser geräuschvolle Moment der Fellpflege löst keinen Alarm aus, was bedeuten muss, dass sich keiner der wenigen Dienstboten, die noch hier sein mögen, in der Nähe aufhält.
    Obwohl ihm bewusst ist, dass sie eine Zeitlang nasse Fußabdrücke hinterlassen werden, ist Crispin geneigt, sich auf der Stelle in Bewegung zu setzen und nicht erst seine Schuhe und die Hundepfoten mit irgendeinem Lappen abzutrocknen.
    Die Küche ist so düster und menschenleer wie der Windfang. Das einzige Geräusch ist das Summen des Kühlschranks.
    Wenn drei oder sogar vier Dienstboten zurückgeblieben sind, um das Haus sauber und in einem brauchbaren Zustand zu erhalten, sind sie über eine solche Fülle von Räumen verteilt, dass die Wahrscheinlichkeit, einem von ihnen zu begegnen, gering ist. Er muss aber auch daran denken, dass sie, ganz gleich, was sie sonst noch sein mögen, keine Dämonen sind. Sie sind trotz allem menschliche Wesen, so angreifbar wie er und auch so fehlerbehaftet.
    Der Junge beschließt, den Hund vorausgehen zu lassen, und Harley führt ihn zur südlichen Treppe. Im Inneren der offenen Steinröhre winden sich das Bronzegeländer und die Wendeltreppe nach oben wie die verbogene Wirbelsäule einer bizarren urzeitlichen Bestie.
    Als er oben angelangt ist, beugt er sich über das Geländer und blickt hinunter, um sicherzugehen, dass niemand leise hinter ihm die Treppe hinaufsteigt. Am unteren Ende der Treppe leuchtet ein Vollmond, als blicke Crispin nicht etwa hinunter, sondern durch einen nicht überdachten Turm nach oben. Das sieht er, ob es nun eine optische Täuschung oder mehr als das ist, als ein Zeichen an, und zwar bestimmt nicht als ein schlechtes, weil der Mond für ihn, das Kind, immer das Licht der Weisheit gewesen ist, ein Symbol für die richtige Art, die Welt zu sehen.
    Sie laufen durch den Flur im zweiten Stock und erreichen ohne Zwischenfälle das Miniaturenzimmer.
    Als Crispin die Deckenbeleuchtung anschaltet, gehen auch die Kronleuchter und die Lampen in dem maßstabsgetreuen Modell an.
    Harley war noch nie hier. Obwohl er ein ungewöhnlicher Köter und vielleicht mehr als nur ein Hund ist, benimmt er sich, wie es wohl jeder Hund an einem fremden Ort täte: Er läuft mit der Nase am Boden um den soliden Sockel herum, der das riesige Modell trägt, und schnuppert da und dort.
    Crispin beginnt mit dem Salon, wo am Nachmittag des Festes der Erzengel die beiden mausgroßen Katzen auf der Fensterbank saßen und ihn durch die Scheiben des Sprossenfensters ansahen.
    Sofort kommt ein weißes Katzentier aus dem Flur der Miniatur in ihren Salon gesprungen, rast zu der Fensterbank, springt hinauf und blinzelt mit seinen kleinen grünen Augen. Als Crispin das Fenster mit einer Fingerspitze berührt, reibt die Katze ihr Gesicht an der Innenseite der Scheibe, als sehne sie sich nach Kontakt zu ihm.
    Der Junge hat mehr als drei lange Jahre Zeit gehabt, um über diese außergewöhnliche Reproduktion von Theron Hall nachzudenken, und es überrascht ihn nicht, dass ihn diesmal nur eine einzige Katze begrüßt. Drei Katzen, drei Kinder. Da Mirabell bereits tot war, sind Crispin an dem Nachmittag, bevor Harley an diesen Altar gekettet wurde, nur zwei Katzen erschienen. Jetzt ist von Clarettes kleinen Bastarden nur noch einer übrig, folglich sieht er nur diese eine Katze.
    Ebenso, wie die Katzen auf irgendeine Weise auf eine Körperlänge von siebeneinhalb Zentimetern reduziert wor den waren und in der Miniaturausgabe von Theron Hall gefangen gehalten wurden, waren auch die drei Kinder auf ihre Art in dem echten Haus gefangen. Die Katzen waren Avatare von Mirabell, Harley und Crispin; und wenn die Katzen jemals entkämen, würden auch die Kinder ihren Fluch abschütteln und sich befreien.
    Da Mirabell und Harley jetzt tot sind, sind zwei Katzen verschwunden. Ein Avatar ist die Verkörperung eines Prinzips. Wenn das Prinzip – in diesem Fall ein Kind – nicht länger existiert, könnte auch der Avatar nicht länger existieren, vorausgesetzt, man sieht in dem Kind nichts weiter als ein Tier, eine Maschine aus Fleisch.
    Nun ist jedoch jedes Kind, jedes menschliche Wesen, mehr als nur eine körperliche Anwesenheit, und das ist Giles Gregorio und seiner monströsen Familie sehr deutlich bewusst. Diese Apostel der dunklen Seite wollen nicht nur das Blut der Unschuldigen – eine Perversion des Abendmahls –,

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