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Das Mondkind (German Edition)

Das Mondkind (German Edition)

Titel: Das Mondkind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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Leichen beigesetzt werden, sondern Asche, und gelangt schließlich ins Zentrum des Friedhofs. Mitten auf dem kreisförmigen Rasen klettert er auf den runden Granitstein, der als Bank dient, und legt sich dort auf den Rücken.
    Hierher dringt nicht das geringste Säuseln der Stadt. Die einzigen Geräusche sind sein schwerer Atem und sein Schluchzen. Zwischen diesen Gedenkstätten für verlorene Seelen weint er, bis seine Tränen versiegen und tiefe Stille herrscht.
    Er glaubt nicht, dass er jemals wieder schlafen wird, glaubt, dass er zu schlecht ist, um Schlaf zu verdienen. Er liegt auf dem Rücken, starrt den Mond an, und das verkraterte Gesicht des alten Mannes im Mond scheint zurückzustarren. Der Nachthimmel wird tiefer. Die ersten Sterne rufen weitere herbei. Er schläft.

17
    Harte Jahre der Veränderung, Crispin ist jetzt dreizehn, kein Junge mehr und doch noch kein Mann …
    Harley, der brave Hund, sitzt auf der Bank neben Amity Onawa, als sei der Teil der Geschichte, der dem Mädchen am besten gefällt, auch der Teil, von dem er sich am meisten angesprochen fühlt. Seine Augen funkeln im Kerzenschein.
    »Harley nimmt seine Pfote von der leeren Schachtel«, fährt Crispin fort, »und ich packe die Karten weg. Es gelingt mir, noch eine Weile zu schlafen, ohne böse Träume. Ich gehe davon aus, dass ich am Morgen nach oben in den Laden für Zauberartikel und Spiele gehe, bevor das Geschäft aufmacht. Ich sollte in der Lage sein, die Ladentür von innen aufzuschließen, und wenn das nicht klappt, werden ich und Harley warten, bis der alte Mann und die Frau das Geschäft aufschließen, und dann werden wir ohne jede Erklärung an ihnen vorbeiflitzen.«
    »Das klingt ganz einfach«, sagt Amity und lächelt wieder.
    »Total einfach. Aber als wir aus dem Lagerraum im Keller raufkommen, ist dort oben kein Laden mehr, obwohl er am vergangenen Abend noch da war. Die Räume sind leer, vollständig ausgeräumt, dort verkauft niemand etwas.«
    »Kein alter Mann mit grünen Augen und sechs Smaragdringen.«
    »Nichts und niemand«, bestätigt Crispin. »Nach dem Staub und den Spinnweben zu urteilen hat sich dort schon lange nichts mehr getan.«
    »Aber das Lager …«
    »Ich steige die Treppe wieder hinunter. Harley macht sich nicht die Mühe mitzukommen, als wüsste er bereits, was ich vorfinden werde. Nämlich gar nichts. Sämtliche Regale und alle Waren, die darin gelagert waren, sind verschwunden. Das Lager ist so leer wie der Laden darüber.«
    »Du bist damals erst vor zwei Tagen aus Theron Hall fortgelaufen.«
    »Vor zwei Tagen, aber es war die dritte Nacht. Nach allem, was in Theron Hall passiert ist, hätte es mich vielleicht zu Tode erschrecken sollen, dass der Laden für Zauberartikel verschwunden war, aber ich bin nicht erschrocken.«
    Sie starrt ihn an, ohne mit einer Wimper zu zucken. Er wendet den Blick nicht von ihr ab, denn es fällt ihm besonders schwer, diesen Teil zu erzählen, und wenn er ihr dabei in die Augen sehen kann, hat es mehr zu bedeuten.
    »Ich konnte die Tür von innen aufschließen, und wir haben sie hinter uns zugemacht, als wir fortgegangen sind. Der Tag war warm für Anfang Oktober, der Himmel war blau, und in den Bäumen am Straßenrand haben Vögel gezwitschert. Ich habe noch einen Blick auf den Laden geworfen und ein Schild gesehen, das von innen an die Glasscheibe in der Tür geklebt war. Darauf stand ZU VERMIETEN . Darunter standen eine Telefonnummer und der Name einer Kontaktperson in einem Maklerbüro. Der Name lautete Miss Regina Angelorum. Damals war ich noch zu jung, um zu wissen, dass es ein Name war, aber auch mehr als ein Name. Erst Jahre später habe ich erfahren, was das bedeutet, aber in dem Moment, zu Beginn meines dritten Tages in Freiheit, war ich sicher, trotz meiner zahlreichen Schwächen, trotz meiner Feigheit und obwohl ich es unterlassen hatte, Mirabell oder Harley zu retten, sei es mir bestimmt zu leben, heranzuwachsen, mich zu verändern und in dieser Welt etwas zu erreichen, das zählt.«
    Sie schweigen gemeinsam im Kerzenschein.
    Amitys Augen sind geheimnisvolle Welten und Crispin stellt sich vor, seine Augen müssten für sie dasselbe sein.
    Vier Kerzen in roten Glaszylindern werfen ihr Licht auf den Tisch. Aber für das, was als Nächstes kommt, will Amity mehr Licht haben. Für diesen Moment hat sie schon im Voraus vier weitere Kerzen bereitgelegt. Mit einem Gasanzünder zündet sie die Dochte an.
    Crispin hat die Schachtel mit den Spielkarten schon vor einer

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