Das Monster von Bozen
Spaß auf Ihrer Tour!«
Auch Fabio Franco hatte nichts von Panzini gehört, Junghans war erst gar nicht zu erreichen. Laurenzi blieb wohl nichts anderes übrig, als nach Bozen zu fahren. Sollte er Panzini dort nicht antreffen, musste er die Polizei informieren. Er stieg in seinen Wagen und fuhr langsam den Berg hinab in Richtung Mendelpass.
***
Mailand
Vincenzo fand das Bett neben sich leer. Er seufzte, das war typisch Gianna. Er kam ihretwegen nach Mailand, aber sie hatte nichts Besseres zu tun, als sich um irgendeinen Fall zu kümmern. Das musste er wohl akzeptieren, ob es ihm passte oder nicht. Er stand auf und rief in der Kanzlei an, um Gianna zu fragen, wann sie nach Hause kam.
» Pronto! Hier Dottore dal Monte.« So ein Pech, er hatte ihren Vater am Apparat. Das hätte er sich gerne erspart.
» Buongiorno , Dottore, Vincenzo Bellini. Kann ich bitte mit Ihrer Tochter sprechen?«
» Certamente , Vincenzo, wir haben ohnehin gerade von Ihnen geredet. Es ist jammerschade, dass wir Sie erst zweimal gesehen haben, obwohl Sie schon über ein Jahr mit meiner Tochter zusammen sind. Ich habe Gianna vorgeschlagen, dass ihr uns heute Abend besucht und wir zusammen essen. Meine Frau ist nämlich eine exzellente Köchin.«
Was für eine Bescherung! Das Wochenende drohte zu einem Fiasko zu werden. Eigentlich hatte er Gianna vorschlagen wollen, dass er einkaufte und abends für sie kochte. Nur sie beide, auf ihrem schönen Balkon. Und jetzt das. Ihre Eltern würden nach seinen Karriereplänen fragen und beiläufig erwähnen, wie ausgezeichnet hierfür doch eine Stadt wie Mailand geeignet sei und was für überaus nützliche Verbindungen ihr Vater als angesehener Anwalt habe. Aber eine Absage wäre ein Affront. Es half alles nichts, da musste er durch. » Sì , Dottore dal Monte, mille grazie , ich freue mich sehr.«
»Wunderbar, Vincenzo, dann sehen wir uns heute Abend um acht Uhr. Und nennen Sie mich bitte Alfredo!«
Nachdem er aufgelegt hatte, setzte Vincenzo kopfschüttelnd einen Espresso auf. Alfredo, auch das noch. Er sah sich heute Abend schon in steifer, förmlicher Atmosphäre bei Alfredo und … meine Güte, den Namen von Giannas Mutter hatte er glatt vergessen … jedenfalls dort sitzen und sich Löcher in den Bauch fragen lassen. Schlimmer hätte es kaum kommen können.
***
Fast schon erschreckend, wie simpel es wieder gewesen war, fast wie ein Spiel. Was ist eigentlich ein Genie? Jemand, der für alles einen Plan hatte? Mitnichten, das ist ein bornierter Erbsenzähler. Ein Genie kannte das eherne Gesetz des Lebens, dass kein Plan je vollkommen war. Es war allen grundsätzlich einen Schritt voraus, hatte eine übergeordnete Vision, versuchte jedoch gar nicht erst, jede mögliche Entwicklung einzukalkulieren. Das Genie ließ die Dinge auf sich zukommen. Es handelte, wenn es so weit war – schnell, kaltblütig, nachhaltig. Dieser Idiot, dieser debile, mit Dummheit geschlagene Idiot! Hat irgendeinen ominösen Verdacht und ist dann so hirnverbrannt, von seinem Schreibtisch aus diesen Laurenzi anzurufen. Ihm musste doch klar gewesen sein, dass jeder sein Gespräch mitbekommen konnte. Und er selbst? Er hatte spontan und flexibel reagiert, wie immer. Dabei wünschte er sich insgeheim, es wäre nicht immer derart banal und nahezu anspruchslos. Ihm fehlte die Herausforderung, das Besondere, der Kick.
Wobei, wenn man es recht bedachte, ganz glatt war es gar nicht gelaufen. Er war davon ausgegangen, dass eine Batterie von sechs ultrastarken Scheinwerfern ausreichen würde, diesen Trottel von der Straße zu drängen. Aber er schien noch irgendwie reagiert zu haben. Ihm war gar nichts anderes übrig geblieben, als ein wenig nachzuhelfen. Eine kleine Beule, mehr nicht. Trotzdem eine Gefahr. Eine Beule, das bedeutete Spuren, die zu hinterlassen er eigentlich nicht im Sinn gehabt hatte. Doch das schuf eine gänzlich neue Situation, anregenden Nervenkitzel. Und diese Idee mit dem verlegten Schlüssel! Ob ihm die Zukunft noch mehr solcher Chancen bieten würde, seine Überlegenheit unter Beweis zu stellen?
***
Penegal
Um fünfzehn Uhr war die gesamte Zufahrtsstraße zum Penegal abgeriegelt. Laurenzi hatte direkt nach der ersten Kehre die Brems- und Schleuderspuren bemerkt, war ausgestiegen und hatte bangen Blickes den Abhang hinuntergeschaut. Abgesehen von einigen Splittern am Straßenrand konnte er auf Anhieb nichts sehen. Konzentriert spähte er in die Tiefe, bis er das Wrack schließlich weit
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