Das Monster von Bozen
Polizisten das Leben zur Hölle zu machen. Dein Vater ist dagegen aus einem ganz anderen Holz geschnitzt.«
Am Sonntag stieg Vincenzo zufrieden in den Zug zurück nach Bozen. Er hatte das Gefühl, dass dieses Wochenende trotz des unerfreulichen Starts für sie ein Schritt in die richtige Richtung war. Und so gab er sich alle Mühe, den verheißungsvollen Blick der schwarzhaarigen Schönheit auf der anderen Seite des Ganges, die offensichtlich Gefallen an ihm fand, nicht zu erwidern.
7
Bozen, Montag, 29. Juni
Das erste Meeting war für acht Uhr angesetzt. Die Manager von Rödderlink hatten mehrere Standorte angesehen und sich für Bozen entschieden. Da der Geschäftsplan längst fertig war, konnten die Fördergeldanträge ohne Zeitverzögerung verschickt werden. Bis auf Ernesto Panzini waren alle pünktlich eingetroffen.
Gemini sagte in die Runde: »Wir warten noch zehn Minuten auf den Kollegen Panzini, dann legen wir ohne ihn los. Wir haben diese Woche ein straffes Programm vor uns.«
»Hast du eigentlich deinen Autoschlüssel wiedergefunden, Fabio?«
Franco lächelte ein wenig verlegen. »Tja, Sabrina, in der Tat, gerade eben. Ich habe noch mal in allen Schubladen nachgesehen, da lag er eins tiefer und war witzigerweise ausgerechnet in die Akte Rödderlink gerutscht. Am Freitag war ich wahrscheinlich einfach zu hektisch.«
»Hast du den Wagen am Wochenende nicht gebraucht?«, mischte sich Junghans ein. Franco schüttelte den Kopf. »Ich hatte nichts Besonderes vor. Außerdem war ich angeschlagen, wahrscheinlich ein Magen-Darm-Infekt. Ich habe mir heute Morgen ein Taxi genommen. Am Freitag hat mich zum Glück Ernesto nach Hause gebracht.«
»Apropos Ernesto, es ist inzwischen Viertel nach acht, wir müssen anfangen, hilft ja alles nichts. Hat Ihnen Panzini am Freitag irgendwas gesagt, Dottore Franco? Hat er vielleicht heute Morgen Auswärtstermine und vergessen, sie im Outlook einzutragen?«
»Nein, wir haben kaum gesprochen, er wirkte nur ein wenig angespannt.«
»Wir können nicht länger warten. Signor Mantinger, erläutern Sie bitte noch mal die Eckdaten des Geschäftsplans.«
***
Vincenzo wurde von einem aufgeregten Paolo Verdi abgefangen. »Gut, dass du kommst, Vincenzo, Baroncini hat schon zweimal nach dir gefragt. Er sagte, es gäbe möglicherweise einen dringenden Fall, um den du dich kümmern musst, schnellstens, das hat er betont. Du sollst sofort in sein Büro kommen. Das hat er noch mehr betont.« Dottore Baroncini war der Vice-Questore und Vincenzos direkter Vorgesetzter.
Vincenzo war irritiert, neun Uhr war keineswegs ein unüblicher Dienstbeginn. Im Gegenteil: In der Questura ging es eher gemächlich zu, viele Kollegen erschienen erst viel später. Es musste etwas Bedeutendes geschehen sein.
Nachdem Baroncinis Sekretärin, Signora Sacchini, ihn angekündigt hatte, betrat Vincenzo das Büro des Vice-Questore. Im grauen Maßanzug saß Baroncini hinter seinem Schreibtisch, seine blauen Augen funkelten hellwach hinter der Brille. »Setzen Sie sich, Bellini, es kann sein, dass wir es mit einem Kapitalverbrechen zu tun haben«, sagte er. Dann kam er wie gewohnt ohne Umschweife auf den Punkt: »Kennen Sie den Penegal? Waren Sie schon mal dort?«
»Ja, das ist ein beliebter Aussichtspunkt. Warum fragen Sie?«
Ohne darauf einzugehen, fuhr Baroncini fort: »Dann sind Sie sicherlich mit dem Wagen hochgefahren, oder?«
Vincenzos Neugier war nun endgültig erwacht. »Ja, Dottore, man kann dort oben phantastische Sonnenaufgänge erleben. Was ist denn passiert?«
Baroncini schob Vincenzo ein paar Fotos zu. »Sehen Sie sich das an. Es gab einen tödlichen Unfall, auf der Nebenstraße zum Penegal. Ich wollte zuerst mit Ihnen sprechen, weil ich weiß, dass Sie die umliegende Bergwelt gut kennen. Ist diese Straße gefährlich?«
Vincenzo schloss die Augen und rief sich den Weg zum Penegal ins Gedächtnis. »Wenn man sie nicht kennt und zu schnell fährt, vielleicht. Fällt das denn nicht in den Zuständigkeitsbereich der Carabinieri?«
»Das herauszufinden ist Ihre Aufgabe. Am Samstagmittag ging bei den Carabinieri ein Anruf vom Penegal ein, ein Auto sei in die Schlucht gestürzt. Alles deutete zunächst auf einen Verkehrsunfall hin. Der Fahrer ist nachts dort entlanggefahren, in einem Sportwagen, er hatte 0,5 Promille im Blut. Vielleicht zu viel für diese Strecke. Eines ist aber auffällig: Die Spurensicherung fand am hinteren linken Kotflügel fremde Lackspuren. Das kann alles
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