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Das Monstrum

Das Monstrum

Titel: Das Monstrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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dem Butch die Albion Town Road Nr. 5 erkannte. Butch hatte es für unmöglich gehalten, aber der alte Mann hatte genau das getan, was er versprochen hatte: Er war um ganz Haven herumgefahren, ohne einmal in die Stadt hinein zu müssen.
    Jetzt brachte Ev den Cherokee hundert Fuß vor dem Schild zum Stillstand, welches die Stadtgrenze von Haven markierte. Er drehte das Fenster herunter und schaltete den Motor ab. Außer dem Knacken des abkühlenden Motors war kein Laut zu hören. Kein Vogel sang, und das fand Butch seltsam.
    »Was ist in dem Jutesack dort hinten?«, fragte Butch.
    »Alles Mögliche. Darüber brauchen Sie sich jetzt noch nicht den Kopf zu zerbrechen.«
    »Worauf warten Sie?«
    »Kirchenglocken«, sagte Ev.
    3
    Es waren nicht die Glocken der Methodistenkirche, mit deren Klang Ev groß geworden war und den er erwartete, die um Viertel vor zehn läuteten und die um Ruth Trauernden – die echten und die, die vorhatten, Fluten von Krokodilstränen zu vergießen – aufforderten, sich in der Methodistenkirche zu versammeln, wo der erste Akt des aus
drei Akten bestehenden Stückes stattfinden sollte (Akt II: Zeremonie am Grab; Akt III: Erfrischungen in der Stadtbibliothek).
    Reverend Goohringer, ein schüchterner Mann, der normalerweise nicht den Mut aufbrachte, Buh zu einer Gans zu sagen, war vor ein paar Wochen durch die Stadt gegangen und hatte den Leuten erzählt, dass er das ständige Dingdong endgültig satthabe.
    »Warum tun Sie dann nicht etwas dagegen, Gooey?«, hatte Pamela Sargent ihn gefragt.
    Reverend Lester Goohringer war in seinem ganzen Leben noch nicht »Gooey« genannt worden, aber in seinem momentanen Groll hatte er es gar nicht bemerkt.
    »Vielleicht werde ich das«, sagte er und sah sie grimmig durch seine dicken Brillengläser an. »Vielleicht werde ich genau das.«
    »Irgendwelche Vorstellungen?«
    »Schon möglich«, sagte er verschlagen. »Die Zukunft wird es zeigen, nicht?«
    »Das tut sie immer, Gooey«, sagte sie. »Immer.«
    Tatsächlich hatte Reverend Goohringer eine ganz prachtvolle Idee hinsichtlich dieser Glocken – er konnte kaum glauben, dass sie ihm nicht schon früher gekommen war, so wunderschön und einfach war sie. Und das Schönste daran war, er würde nicht einmal mit dem Kirchenvorstand oder der Ladies’ Aid darüber sprechen müssen (einer Organisation, die offenbar nur zwei Arten von Frauen anzog – fette Schnecken mit Titten so groß wie Fässer, oder knochenärschige und flachbrüstige Schlampen wie Pamela Sargent mit ihrer Zigarettenspitze aus Elfenbeinimitat und ihrem rauen Raucherhusten) oder mit den wenigen wohlhabenden Angehörigen seiner Gemeinde … wenn er zu ihnen gehen musste, hatte er hinterher immer eine Woche lang Sodbrennen.
Er ging nicht gern betteln. Nein, es war etwas, das Reverend Lester Goohringer ganz allein tun konnte, und er tat es. Sie konnten ihn am Arsch lecken, wenn sie keinen Spaß verstanden.
    »Und wenn du mich noch einmal Gooey nennst, Pam«, hatte er geflüstert, während er den Sicherungskasten im Keller der Kirche so umbaute, dass er den Starkstrom aushielt, den sein Einfall erforderte, »dann werde ich dir den Pümpel im Pfarreipissoir in die Fotze rammen und dir das Gehirn damit herausstoßen … wenn du es nicht schon völlig ausgepisst hast.«
    Er gackerte und wandte sich wieder seinen Drähten zu. Reverend Lester Goohringer hatte in seinem ganzen Leben noch nicht so unverblümte Gedanken gehabt oder so unverblümte Sachen gesagt, aber er fand diese Erfahrung befreiend und erfrischend. Er hatte sogar vor, jedem in Haven, dem sein neues Glockenspiel nicht gefiel, zu sagen, sie sollten sich ihre alten Glocken genüsslich in den fetten Arsch schieben.
    Aber alle in der Stadt fanden, dass die Veränderung wirklich großartig war. Das war sie auch. Und heute empfand Reverend Goohringer Stolz, der seine Brust schwellen ließ, als er auf den neuen Schalter in der Sakristei drückte und das Läuten der Glocken über Haven hinweghallte und ein Potpourri von Hymnen spielte. Das Glockenspiel war programmierbar, und heute hatte Lester Goohringer Ruths Lieblingshymnen eingegeben. Dazu gehörten so alte Methodisten – und Baptistenklassiker wie »What a Friend We Have in Jesus« und »This Is My Father’s World«.
    Reverend Goohringer trat zurück, rieb sich die Hände und sah zu, wie sich die Leute in Zweier – und Dreiergruppen der Kirche näherten, angelockt von den Glocken, den Glocken, dem Ruf der Glocken.

    »Gottverdammich!«,

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