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Das Monstrum

Das Monstrum

Titel: Das Monstrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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jetzt war es zu spät, seine Entscheidung rückgängig zu machen.
    »Zu meiner Zeit haben die Glocken der Methodistenkirche niemals so geklungen«, sagte Ev. »Jemand hat sie ausgewechselt.«
    »Na und?«
    »Na, nichts. Na, alles . Ich weiß auch nicht. Kommen Sie, Trooper Dugan.« Er drehte den Zündschlüssel, und der Motor des Cherokee brüllte auf.
    »Ich frage Sie noch einmal«, sagte Dugan mit etwas, was er für außergewöhnliche Geduld hielt. » Wonach suchen wir eigentlich?«
    »Ich weiß es nicht mit Sicherheit.« Der Cherokee fuhr über die Stadtgrenze. Sie hatten Albion verlassen und waren nach Haven gefahren. Ev hatte plötzlich das unabweisbare Gefühl, dass er Haven trotz seiner Vorsichtsmaßnahmen nicht wieder verlassen würde. »Wenn wir es sehen, werden wir es wissen.«
    Dugan antwortete nicht, er hielt sich lediglich krampfhaft fest und fragte sich noch einmal, wie er sich darauf hatte einlassen können – er musste ebenso verrückt sein wie der alte Furz, mit dem er fuhr, vielleicht noch verrückter. Er hob eine Hand zur Stirn und fing an, sie zu reiben.
    Dort bekam er Kopfschmerzen.
    10
    Es gab Schniefen, rote Augen und ein wenig Schluchzen, als Reverend Goohringer, dessen Kahlkopf sanft in dem vielfarbigen Licht schimmerte, das die durch die Buntglasfenster einfallenden Sonnenstrahlen erzeugten, seine Predigt hielt, gefolgt vom Singen einer Hymne, einem Gebet, einer weiteren Hymne, der Verlesung von Ruths Lieblingsbibelstelle (den Seligpreisungen) und noch einer Hymne. Unter ihm, in einem Halbkreis um die Kanzel erblühend, standen große Sträuße Sommerblumen. Obwohl die oberen Fenster der Kirche geöffnet worden waren und eine angenehme Brise hindurchwehte, nahm der süße Geruch einem die Luft.
    »Wir haben uns hier versammelt, um Ruth McCausland zu preisen und ihr Dahinscheiden zu beklagen«, begann Goohringer.
    Die Einwohner standen entweder mit gefalteten Händen da oder hielten Taschentücher umkrampft; ihre Augen – größtenteils feucht – betrachteten Goohringer mit nüchterner, eifriger Aufmerksamkeit. Sie sahen gesund aus, die Leute – gute Farbe, größtenteils makellose Haut. Und selbst jemand, der noch nie in Haven gewesen war, hätte sehen können, dass die versammelte Trauergemeinde in zwei Gruppen zerfiel. Die Auswärtigen sahen nicht gesund aus. Sie waren blass. Ihre Augen waren benommen. Zweimal während der Predigt ging einer rasch hinaus, lief um die Ecke der Kirche herum und übergab sich leise. Bei anderen war die Übelkeit nicht ganz so heftig – ein unbehagliches Rumoren in den Eingeweiden, nicht so schlimm, dass sie hinaus mussten, aber anhaltend.
    Mehrere Auswärtige sollten Zähne verlieren, bevor der Tag zu Ende ging.

    Mehrere bekamen Kopfschmerzen, die fast schlagartig vergingen, als sie die Stadt verlassen hatten – das Aspirin tat endlich seine Wirkung, vermuteten sie.
    Und mehr als nur einigen von ihnen kamen die erstaunlichsten Einfälle, während sie auf den harten Bänken saßen und zuhörten, wie Goohringer seine Gedenkrede für Ruth McCausland hielt. Bei manchen kamen die Einfälle so unvermittelt und waren so gewaltig, so fundamental, dass die betreffenden Personen meinten, ihnen wäre in den Kopf geschossen worden. Diese Personen mussten den Drang unterdrücken, von den Bänken aufzuspringen und lauthals »Heureka!« rufend auf die Straße zu stürzen.
    Die Leute von Haven sahen das alles und amüsierten sich. Hin und wieder wich der apathische, puddingähnliche Ausdruck im Gesicht von jemandem einer Art Schock. Die Augen wurden aufgerissen, Münder aufgesperrt, und die Leute von Haven wussten, dass wieder einmal jemand von einer gewaltigen Idee gepackt worden war.
    Eddie Stampnell vom Polizeirevier Derry zum Beispiel dachte sich einen bundesweiten Polizeikanal aus, auf dem alle Polizisten miteinander in Verbindung treten konnten. Und er sah, wie man diesen Kanal mühelos abhörsicher machen konnte; alle neugierigen Zivilisten, die mit ihren Funkgeräten den Polizeifunk abhörten, wären angeschissen. Neuerungen und Verbesserungen strömten schneller in seinen Verstand ein, als er sie verarbeiten konnte; wären seine Einfälle Wasser gewesen, wäre er darin ertrunken. Dafür werde ich berühmt werden, dachte er fiebernd. Reverend Goohringer war vergessen; Andy Rideout, sein Partner, war vergessen; sein Unbehagen in dieser unheimlichen kleinen Stadt war vergessen; Ruth war vergessen. Die Einfälle hatten seinen Verstand verschluckt. Dafür werde

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