Das Monstrum
Gelegenheit, sich ein Paar Gummisandalen zu kaufen, aber er kam noch vor Einbruch der Dunkelheit nach Haven und musste nicht die letzten geschätzt zehn Meilen zu Fuß gehen, wie er befürchtet hatte; man sollte meinen, dass die Leute eher geneigt wären, im Regen einen Anhalter mitzunehmen, aber genau dann fuhren sie meistens vorbei. Wer wünschte sich schon eine menschliche Pfütze auf dem Beifahrersitz?
Aber in der Nähe von Augusta nahm ihn ein Farmer mit, der sich bis zu der Stadtgrenze von China, wo er Gard aussteigen ließ, unablässig und verbittert über die Regierung beschwerte. Gard ging ein paar Meilen zu Fuß, hielt den Daumen hoch, wenn vereinzelt Autos vorbeifuhren, und überlegte, ob sich seine Füße in Eis verwandelten oder ob er es sich nur einbildete, als ein Holztransporter neben ihm eine Vollbremsung hinlegte.
Gardener kletterte in die Fahrerkabine, so schnell er konnte. Sie roch nach alten Sägespänen und saurem Holzfällerschweiß … aber sie war warm.
»Danke«, sagte er.
»Nicht der Rede wert«, sagte der Fahrer. »Ich heiße Freeman Moss.« Er streckte die Hand aus. Gardener, der keine Ahnung hatte, dass er diesem Mann in naher Zukunft unter deutlich unangenehmeren Umständen wieder begegnen sollte, schüttelte sie.
»Jim Gardener. Nochmals danke.«
»Kriegen Sie sich wieder ein«, spöttelte Freeman Moss. Er setzte den Lastwagen in Bewegung. Er ruckelte am Straßenrand entlang und beschleunigte, und zwar, dachte Gardener, nicht einfach widerwillig, sondern tatsächlich wie unter Schmerzen. Alles bebte. Der Motor unter ihnen heulte wie eine Hexe im Kamin. Die älteste Zahnbürste der Welt, deren abgewetzte Borsten dunkel von der Schmiere waren, die mit ihnen von einem verschmutzten Getriebe-oder Zahnrad heruntergeschrubbt worden war, rutschte über das Armaturenbrett, vorbei an einem alten Lufterfrischer in Form einer nackten Frau mit sehr großen Brüsten. Moss trat auf die Kupplung, fand nach scheinbar endlosem Knirschen im Getriebe endlich den zweiten Gang und zwang den Holztransporter auf die Straße zurück. »Sie seh’n halb ertrunken aus. Hab noch ’ne halbe Thermosflasche voll Kaffee vom Drunken Donuts in Augusta vom Abendessen übrig … möchten Sie?«
Gardener trank ihn dankbar. Er war stark, heiß und zuckersüß. Er nahm auch eine Zigarette des Fahrers an und inhalierte tief und mit Genuss, obwohl es in seiner Kehle wehtat, die ständig wunder zu werden schien.
Viertel vor sieben setzte Moss ihn knapp hinter der Stadtgrenze von Haven ab. Der Regen hatte nachgelassen, im Westen wurde der Himmel heller. »Sieht fast so aus, als ob Gott ein bisschen Sonnenuntergang durchkommen lässt«, sagte Freeman Moss. »Ich wünschte echt, ich hätte ein
zweites Paar Schuhe dabei, das ich Ihnen geben könnte, Mister – normalerweise habe ich ein altes Paar hinter dem Sitz, aber heute war’s so regnerisch, dass ich nix außer meinen alten Gummistiefeln dabeihabe.«
»Danke, aber ich komme schon zurecht. Meine Freundin wohnt keine Meile von hier entfernt.« In Wirklichkeit war Bobbis Haus noch drei Meilen entfernt, aber wenn er dem alten Moss das sagte, würde er darauf bestehen, Gardener hinzufahren. Gardener war müde, zunehmend fiebrig, und trotz der fünfundvierzig Minuten in der trockenen Warmluft des Lüfters immer noch klamm – aber er konnte einfach keine weitere Freundlichkeit mehr ertragen. In seiner derzeitigen Verfassung konnte sie ihn ohne Weiteres verrückt machen.
»Okay. Viel Glück.«
»Danke.«
Er stieg aus und winkte, während der Lastwagen in eine Nebenstraße abbog und nach Hause rumpelte.
Als Moss und sein museumsreifer Lastwagen verschwunden waren, blieb Gardener noch einen Augenblick länger stehen, die durchnässte Tasche in der Hand, die Füße, die so weiß waren wie Madonnenlilien, im Schlamm am Straßenrand; so blickte er zurück zu dem etwa zweihundert Fuß entfernten Ortsschild. Zuhause ist der Ort, wo man dich aufnehmen muss, wenn du hinkommst, hatte Frost gesagt. Aber er tat gut daran, nicht zu vergessen, dass er hier nicht zu Hause war. Vielleicht der schlimmste Fehler, den ein Mann machen konnte, war der, das Haus eines Freundes für sein eigenes zu halten, besonders dann, wenn der Freund eine Frau war, mit der man schon einmal im Bett gewesen war.
Nicht Zuhause, ganz und gar nicht – aber er war in Haven.
Er machte sich auf den Weg zu Bobbis Haus.
4
Etwa fünfzehn Minuten später, als die Wolken im Westen schließlich aufbrachen und
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