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Das Moor Des Vergessens

Das Moor Des Vergessens

Titel: Das Moor Des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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fanden, hatte bisher keine Vorliebe für sie gezeigt. Schließlich war an Sharon nichts Kindhaftes, sie war eine robuste dunkelhäutige Frau mit der Ausstrahlung einer reifen und versierten Sexualität, die eher die Verlockungen der Erfahrung als die Versuchungen der Unschuld versprach. Sie gehörte nicht zu jenen Frauen, die zum Scheitern verurteilte Rückzugsgefechte gegen das Altern führten. Sharon akzeptierte, dass die erste Blüte der Jugend vorbei war, und begriff, dass der Hammel ein viel schmackhafteres Fleisch bieten kann als das Lamm. Und deshalb waren ihre Männer meist solche, die sich eher eine überlegene Expertin der Lust wünschten.
    Sharons Beziehungen hätten wahrscheinlich länger Bestand gehabt, wenn sie sich nur auf ihre sexuellen Bedürfnisse beschränkt hätte. Aber bisher hatte sie keinen Mann finden können, der sich länger als ein paar Monate mit ihrer ständigen Unsicherheit und ihrer Nörgelei abfinden konnte. Tenille war daran gewöhnt, dass ihr grundlos die Schuld am Verschwinden eines weiteren tyrannisierten Liebhabers gegeben wurde, und  jedesmal, wenn das passierte,  verstärkte sich Tenilles Wunsch, dem nächsten Kerl aus dem Weg zu gehen.
    Sie war nicht schnell genug gewesen, um die Begegnung mit Geno Marley zu vermeiden, hauptsächlich deshalb, weil sie ihn nicht erwartet hatte. Normalerweise war sie sicher in ihrem Zimmer eingeschlossen, wenn ein neuer Mann zum ersten Mal in Sharons Bett taumelte. Aber Tenille hatte die Schichtarbeit nicht einkalkuliert. Sharon wäre eigentlich um zwei Uhr fertig gewesen, also verließ Tenille die Wohnung rechtzeitig. In der Bücherei hatte sie an diesem Nachmittag kein Glück gehabt. Eine Vierergruppe von Gruftis hatte die Computer in Beschlag genommen und war von einem Enkel mit fettigen Haaren in die ersten Schritte des Surfens eingeführt worden. Als ob die sich jemals MP3-Musik runterladen oder sich demnächst in Chatrooms aufhalten würden, dachte Tenille verächtlich. Sie trieb sich dort eine Weile herum, aber es war klar, dass die grauen Panther kaum in absehbarer Zeit das Feld räumen würden. Als sie zu Hause eine leere Wohnung vorfand, war sie überrascht. Sharon hätte schon vor zwei Stunden zu Hause sein sollen.
    Tenille nahm an, dass ihre Tante einkaufen gegangen war. Und das hoffte sie auch, denn es war verdammt wenig zu essen und trinken da. Sie schaltete den Fernseher ein und rekelte sich auf dem Sofa, da sie zu wütend und zu hungrig war, um zu lesen. Das Geräusch der sich öffnenden Wohnungstür hörte sie kaum, aber das unterdrückte Kichern und das tiefe Murmeln einer Männerstimme versetzten sie in Alarmbereitschaft. Sie rappelte sich auf, bereit, zu verschwinden, aber es gab keinen Fluchtweg.
    Die Wohnzimmertür ging auf, und Sharon tänzelte unsicher, die Arme eines Mannes um ihre Taille, herein. Auf ihrem Gesicht lag das dümmliche Lächeln einer Betrunkenen, und der hellbraune Cafe-au-lait-Ton ihrer Haut war gerötet. Als sie Tenille sah, trat ein finsterer Blick an die Stelle ihres fröhlichen Gesichtsausdrucks. »Was machsn du hier?«, nuschelte sie.
    »Ich wohne hier«, murmelte Tenille.
    Ein Gesicht blickte sie über Sharons Schulter teils neugierig, teils ungeduldig an. »Wer'sn das?«, fragte er mit einem Anflug von Lüsternheit in seinem Lächeln. »Meine Nichte. Ich hab's dir doch gesagt, erinnerst du dich?« Sharon war verärgert, das war eindeutig. Der Mann nahm die Hände von Sharons Taille und machte einen Schritt zur Seite, damit er hereinkommen konnte. Tenille erkannte den Blick wieder, den sie schon wahrgenommen hatte, wenn er auf andere, aber bis jetzt noch nie auf sie gerichtet war, wahrscheinlich weil die formlosen Klamotten, die sie auf der Straße trug, ihre sich in letzter Zeit entwickelnde Figur eher verbargen als sie zu betonen. Aber zu Hause hatte sie nur ein T-Shirt und enge tief geschnittene Jeans an. Und dieser Mann verschlang sie so gierig mit den Augen, wie Sharon es offensichtlich in irgendeiner Kneipe mit ihren Drinks gemacht hatte. Tenille gefiel das absolut nicht.
    »Aha, kleine Nichte, hast du einen Namen?« Er kam näher, mit einer Hand lässig auf Sharons Hüfte. »Tenille«, murmelte sie zögernd. »Hübscher Name für 'n hübsches Mädchen.« »Und deiner?«, fragte Tenille plötzlich. Er grinste und ließ dabei einen goldenen Eckzahn sehen. »Ich bin Geno«, sagte er. »Wie Geno Washington.« Tenille fragte sich, ob sie von dem Namen, den sie noch nie gehört hatte, beeindruckt

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