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Das Moor Des Vergessens

Das Moor Des Vergessens

Titel: Das Moor Des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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nicht sicher war, wann er kam und ging. Sie hatte es seit damals nur zweimal riskiert, und bei beiden Gelegenheiten hatte sie Jane zum Bus begleitet und war sicher gewesen, dass sie die nächsten vier Stunden im Viking sein würde. Heute Abend hatte sie keine Ahnung, wo Jane war oder wann sie zurückkommen würde. Es war zu gefährlich.
    Mit einem Seufzer wandte sich Tenille ab und stapfte zu dem übelriechenden Treppenhaus zurück. Als sie die Galerie verließ, traf sie ein Regenschwall mitten ins Gesicht, und sie fluchte leise vor sich hin. Dieses eine Mal wünschte sie, sie würde nicht alle anderen Kids ihres Alters so verachten. Heute Abend machte sie der Gedanke, sich zusammen mit Aleesha Graham und ihrer Gang eine blöde DVD anzuschauen, fast wehmütig. Tenille durchsuchte ihre Taschen. Genug für zwei Cola. Wenn sie an dem Burger King direkt um die Ecke zum nächsten Burger King etwa eine Meile weiter ging, war es möglich, dass niemand drin war, den sie kannte. Wenn sie Glück hatte, war vielleicht nicht viel Betrieb, und man würde sie ein paar Stunden in ein Buch vertieft ruhig in einer Ecke sitzen lassen.
    Die Zeit verrann, während Tenille in Byrons Childe Harold vertieft war, und als der dünne Junge mit dem Pickelgesicht hinterm Tresen sich gegenüber von ihrem Tisch auf den Besen stützte und sagte: »Wir schließen jetzt«, war sie überrascht. Sie packte ihre Sachen, ging zur Tür und sah dabei auf ihre Uhr. Halb elf. Und es regnete nicht mehr, was hieß, dass sie, die Kapuze zum Schutz gegen den Wind auf dem Kopf, nach Hause schlendern konnte.
    Es war Viertel nach elf, als Tenille langsam ihren Schlüssel ins Schloss steckte und lautlos die Wohnungstür öffnete. Wie ein Schatten schlüpfte sie leise in den Flur, alle Sinne vor prickelnder Angst angespannt. Ein Lichtkegel fiel aus der halb offenen Wohnzimmertür. Aus dem Fernseher ertönten dumpfe Stimmen mit schleppendem amerikanischem Akzent. Sie rümpfte die Nase und verzog das Gesicht zu einer Grimasse, als sie den süßlichen Geruch von Gras und den sauren von Bier wahrnahm, und riskierte einen kurzen Blick durch den Türrahmen. Geno lag ausgestreckt auf dem Sofa, die Beine gespreizt, eine Hand auf der Innenseite des Oberschenkels und die andere auf den Boden hängend. Sein Kopf wurde von einem schmuddeligen Kissen mit unechtem Samtbezug gestützt, sein Mund stand offen, und in einem Mundwinkel glänzte ein Speichelfaden. Besoffen und hinüber, dachte sie zufrieden mit einer Mischung aus Erleichterung und Verachtung.
    Tenille schlich in ihr Zimmer und schob leise ihre Kommode vor die geschlossene Tür. Ohne sich auszuziehen, schlüpfte sie unter ihre Steppdecke und versuchte einzuschlafen, indem sie sich in dunklen Phantasien vorstellte, wie eine rasiermesserscharfe Klinge quer über Geno Marleys einladend dargebotene Kehle einen zweiten roten Mund malte.

 
     
     
    »Ich kenne Sie, mein Herr«, sagte ich, als sich meine Überraschung so weit gelegt hatte, dass ich sprechen konnte. Ich sagte ihm, dass ich ihn entweder tot oder viele Meilen von unserer Himmelsgegend entfernt vermutet und geglaubt hätte, ich würde ihn nie wiedersehen. Er antwortete, dass er so gut wie tot sei, wenn die Männer Seiner Majestät ihn erblickten, und dass er hoffe, sich bei mir sicher fühlen zu dürfen. Ich versicherte ihm, dass meine Familie ihm wegen der guten Dienste seines Bruders sehr verbunden sei und dass ich alles, was er mir anvertraute, in meiner Brust verschließen würde. Er dankte mir und gab mir die Hand, sodass ich nicht umhin konnte zu bemerken, dass er immer noch unter der starken Transpiration der Handflächen litt, die ihn als jungen Burschen bis in seine frühen Mannesjahre geplagt hatte. Jeder noch bestehende Zweifel meinerseits war zerstreut, als ich diese Hand schüttelte.

5
    Dr. River Wilde tippte mit dem Stift auf den Notizblock auf ihrem Schreibtisch. »Hören Sie, ich verstehe, dass Sie viel zu tun haben, aber da sind Sie nicht der Einzige. Ich bin heute schon von Pontius zu Pilatus geschickt worden. Ich glaube, Sie wissen gar nicht, wie viele Angestellte sich damit beschäftigen, Leute wie mich davon abzuhalten, mit einem Mann in Ihrer Position zu sprechen. Ich bitte ja nur um eine Entscheidung. Kann das so schwer sein?« Die Stimme am anderen Ende klang frustriert. »Ich habe es Ihnen bereits erklärt. Um für den Sender einen Auftrag zu bekommen, müssen wir eine ganze Reihe bürokratischer Hürden bewältigen. Ich bin nicht

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