Das Moor Des Vergessens
berechtigt, auf der Stelle eine solche Entscheidung zu treffen.«
River warf dem Telefonhörer einen wütenden Blick zu. »Phil, Sie haben mir gesagt, Sie seien de facto Programmdirektor von Northern TV. Das bedeutet doch sicherlich, dass Sie einigen Einfluss darauf haben, was auf unseren Bildschirmen erscheint?«
»Ich habe nur die Entscheidungsgewalt über eine begrenzte Anzahl von Regionalprogrammen. Alles andere muss seinen vorgeschriebenen Weg gehen.«
River unterdrückte nur mühsam den Impuls, diesen Mann anzuschreien. Nach und nach wurde ihr klar, dass sich der Verwaltungsapparat der Universität im Vergleich zur Bürokratie bei den Fernsehsendern ziemlich harmlos ausnahm.
Sie stach brutal auf ihren Notizblock ein. »Aber diese Sache kann nicht warten. Ich muss so bald wie möglich mit der Untersuchung der Leiche beginnen. Ich verlange kein Vermögen und habe per E-Mail schon eine grobe Kostenschätzung geschickt.«
Er versuchte, sie zu unterbrechen, aber sie schnitt ihm einfach das Wort ab.
»Hören Sie, Phil, das ist doch preiswertes Material fürs Fernsehen. Spottbillig. Sie brauchen lediglich ein Kamerateam. Sie zeichnen meine Untersuchung der Leiche auf. Ihr Team ist von Anfang an bei der Arbeit dabei. Glauben Sie mir, das Ambiente ist phantastisch. Ich habe mit dem Bestattungsinstitut vor Ort abgesprochen, dass der Großteil der Arbeit an der Leiche dort durchgeführt werden kann. Es sind wunderbare Räume in altem viktorianischem Stil, alles in Mahagoni und mit gefliesten Wänden, sieht sehr nach Conan Doyle aus, mit viel Atmosphäre, und das ergibt einen tollen Kontrast zu all den modernen Apparaten. Sie können in den Labors filmen, wo die technischen Untersuchungen stattfinden werden, kein Problem. Sie können die Stelle filmen, wo die Leiche vergraben lag. Sie bekommen meinen Expertenbefund und die besten sachkundigen Meinungen aus den anderen Fachbereichen, denen wir diese Leiche vorlegen werden, und das alles für einen Pappenstiel. Kommen Sie, Phil, Sie wissen, Ihre Zuschauer würden so etwas toll finden. Reality-TV trifft auf Geschichtsbetrachtung. Moorleichen gibt es nicht so oft. Und diese weist wirklich ungewöhnliche Merkmale auf - die Tätowierungen sind bemerkenswert. Ich bin überzeugt, dass wir im Lauf der Untersuchungen wirklich faszinierende Dinge herausfinden werden. Hier geht es nicht um einen besoffenen Dorftrottel, der ins Moor fiel, sondern um etwas Besonderes. Ich denke, es könnte mit der Südsee zu tun haben. Stellen Sie sich nur vor, wie viel interessanter - und preisgünstiger - es sein wird, den Ablauf einer echten gerichtsmedizinischen Untersuchung zu verfolgen, als sich nur auf Rekonstruktionen zu verlassen.« Sie bemühte sich, so vernünftig und überzeugend zu klingen, wie sie nur konnte.
»Dr. Wilde, ich stimme Ihnen zu, dass das, was Sie vorschlagen, eine sehr spannende Sendung wäre. Aber es ist unmöglich, die normalen Regeln der Auftragserteilung zu umgehen.«
River lachte ironisch. »Und was ist mit den Dokumentarsendungen, die Sie immer sofort aus dem Ärmel schütteln, wenn es eine Katastrophe oder einen politischen Skandal gibt? Da finden Sie Mittel und Wege, die Vorschriften zu umgehen.« Phil Toner seufzte. »Eine Leiche im Moor im Lake District ist keine Sache von nationaler Bedeutung. Also, wenn Sie nächste Woche irgendwann mal vorbeikommen möchten ...« »Das genügt nicht. Hören Sie, Phil, riskieren Sie es doch und tun Sie es einfach trotzdem. Was kann schlimmstenfalls schon passieren? Sie haben eine Reihe absolut faszinierender Regionalberichte, die Sie fast nichts kosten. Und wenn es gut läuft, wie wir beide erwarten, können Sie beim Sender einen großen Coup landen, der praktisch geschenkt ist. Kommen Sie, Sie wissen doch, dass es Sinn macht.« Sie spürte das Zögern am anderen Ende. »Phil, habe ich schon erwähnt, dass ich verdammt gut aussehe? Und dass ich vor der Kamera einfach toll herauskomme?«, fügte sie mit einem glucksenden Lachen hinzu.
Sie wurde mit tief dröhnendem, heiterem Beifall belohnt. »Und außerdem sind Sie auf einen super Titel gekommen. Geben Sie mir Zeit, es zu überlegen«, sagte er endlich. »Ich melde mich.«
»Wann?« River wusste, dass sie für ihre Hartnäckigkeit bekannt war, die sie aber lieber als Beharrlichkeit bezeichnete. »Für heute schließen wir. Sie bekommen meine Antwort.« »Danke, Phil. Ich freue mich auf Ihren Anruf.« River legte auf und stieß ihre geballte Faust in die Luft. »Ja!« Sie
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