Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mordkreuz

Das Mordkreuz

Titel: Das Mordkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
Vom Netzwerk:
weibliche Geschlecht hätte sich auch in der Durchführung von Straftaten Gleichberechtigung verschafft. Ab Mitte der neunziger Jahre tauchten vermehrt Gewaltdelikte auf, die Frauen begangen hatten beziehungsweise an denen sie beteiligt waren. Wenn er die Protokolle aufmerksam las, so veränderte sich auch der Ton in den Aussagen der Beklagten. Er wurde zunehmend ruppiger und selbstverständlicher. Wer täglich mit dieser Art von weiblichen Kriminellen zu tun hatte, der konnte sein Verhältnis zu Frauen schon ändern, sagte sich Kilian im Hinblick auf Richter Zinnhobel.
    Eine Stimme an seiner Seite ließ ihn aufblicken. «Da haben Sie sich ja was vorgenommen», sagte eine Frau in dunkelblauem Kostüm und mit blonden, schulterlangen Haaren.
    Kilian erkannte in ihr Staatsanwältin Beatrice Lichtenhagen, die aus Bad Godesberg nach Würzburg gekommen war. Er hatte bisher nur kurz mit ihr zu tun gehabt, dennoch erkannten sie sich wieder.
    «Frau Lichtenhagen», antwortete Kilian, «was verschlägt sie in diese schlecht klimatisierten Hallen?»
    «Wenn Sie glauben, hier unten sei es heiß, dann sollten Sie mal in mein Büro kommen. Da hilft nur die Flucht. Aber, was machen Sie hier mit den vielen Akten?»
    «Ich bin auf Spurensuche. Irgendwo in den Verfahren, die Richter Zinnhobel und ihr verstorbener Kollege Mangel bearbeitet haben, hoffe ich etwas zu finden.»
    «Dann wünsche ich Ihnen einen langen Atem. Zinnhobels Fälle reichen bis in die achtziger Jahre zurück.»
    «Wem sagen Sie das. Ich konzentriere mich daher auf die letzten Jahre.»
    «Wenn Sie mir einen Anhaltspunkt geben, kann ich Ihnen vielleicht helfen. Aber zuvor muss ich was essen.»
    Kilian schaute verdutzt auf die Uhr. Tatsächlich, es war bereits Mittagszeit. «Darf ich Sie zum Essen einladen?»
    Die Staatsanwältin stimmte prompt zu.
    Das Knossos mit seiner einladenden Terrasse an der Balthasar-Neumann-Promenade war ihre erste Anlaufstation, doch bis auf den letzten Platz besetzt. Blieben die Residenzgaststätten. Sie hatten Glück, ein Tisch wurde soeben auf der Terrasse zum angrenzenden Hofgarten frei. Schatten gab es reichlich, und der Schoppen aus dem Hofkeller war erste Wahl. Lichtenhagen entschied sich für Schäufele, Kilian für Tagliatelle mit Lachs.
    «Wie haben Sie Richter Zinnhobel erlebt?», fragte Kilian, nachdem die Bestellungen aufgegeben und die Getränke serviert worden waren.
    «Meine ehrliche Meinung?», fragte sie.
    «Das würde mir sehr helfen.»
    «Er war ein Fossil. Einer von der Sorte, die glauben, Frauen hätten in der Berufswelt nichts verloren. Mir gegenüber verhielt er sich im Rahmen seiner Möglichkeiten, von denen er allerdings nicht viele besaß. Er bemühte sich, seine Vorurteile für sich zu behalten. Das war dann aber auch alles. Andere Frauen jedoch, die ihm zuarbeiteten oder die in seinem Gerichtssaal erschienen, kamen nicht so gut weg.»
    «In den Gerichtsprotokollen ist davon nichts zu lesen.»
    «Er hat dafür gesorgt, dass nach außen hin alles im Lot war. Dafür sind regelmäßig Beschwerden beim Gerichtspräsidenten eingegangen. Der hat beide Augen zugedrückt, schließlich wäre Zinnhobel bald in Pension gegangen.»
    «Eine seiner Mitarbeiterinnen soll er besonders auf dem Kieker gehabt haben. Schon mal was davon gehört?»
    «Die Stimmung in seinem Umfeld war chronisch schlecht. Eine bestimmte Frau ist mir nicht aufgefallen.»
    «Und in den Verfahren, die er geleitet hat, war da ein Fall dabei, der besonders herausstach?»
    «In welcher Weise?»
    «Fühlte sich jemand von Zinnhobel besonders benachteiligt oder hat gar jemand Drohungen gegen ihn ausgesprochen?»
    «Drohungen gehören zum Alltag eines Juristen. Die gehen zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. Und was die vermeintliche Benachteiligung angeht: Das wissen Sie doch selbst, Recht und Gerechtigkeit sind zwei unterschiedliche Dinge. Ich denke, in dieser Hinsicht hatte er sich nicht groß etwas vorzuwerfen.»
    «Aber es gab sie.»
    «Bestimmt. Wie bei jedem anderen auch.»
    «Hatte er Feinde am Landgericht?»
    «Sie meinen, außer den weiblichen Angestellten, einigen Staatsanwälten, Richtern, Schöffen und der Mehrzahl der Anwälte?»
    «Ja.»
    «Nicht dass ich wüsste.»
    Kilian seufzte. Er hatte sich mehr von diesem Gespräch erhofft als eine nicht enden wollende Aufzählung von möglichen Allerweltsverdächtigen.
    Lichtenhagen entging das nicht. «Enttäuscht?»
    «Etwas, ja. Irgendwie dachte ich, dass unser Gespräch mir einen

Weitere Kostenlose Bücher