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Das Mordkreuz

Das Mordkreuz

Titel: Das Mordkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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Steine waren schon immer gefragt. Und skrupellose Menschen gibt es auch schon länger. Viel entscheidender ist, zu welchem Zweck er dort aufgestellt wurde und was er besagt. Fangen wir mit Letzterem an. Wenn die Aufzeichnungen stimmen, dann lautet die vollständige Inschrift:
O Mensch steh still und schau mich an. Gedenck dein Sündt seint Schult daran.
In der Würzburger Straße in Estenfeld gibt es einen Stein mit der gleichen Inschrift. Er zeigt denGekreuzigten und sagt aus, dass Jesus Christus für unsere Sünden ans Kreuz geschlagen wurde. Christus nimmt also eine Stellvertreterrolle ein.
    Der Zweck ist damit klar beschrieben. Die Menschen sollten daran erinnert werden, wieso Christus hat sterben müssen.»
    «Ursprünglich ist mir das klar. Aber warum taucht ein Teil des Steins nun an anderer Stelle auf?»
    «Er könnte eine lange Wanderschaft hinter sich haben oder ausschließlich für diesen einen Zweck dort gepflanzt worden sein. Das kann viele Gründe haben. Vielleicht haben ihn die Siebener vor langer Zeit als Grenzstein benutzt, und er ist später in Vergessenheit geraten.»
    «Alle aus dem Siebenerkreis, die uns darüber Aufschluss geben könnten, dürften wahrscheinlich schon lange tot sein.»
    «Ja.»
    «Aber wer könnte von der Bedeutung und der Lage des Steins noch gewusst haben?»
    «Theoretisch jeder, der ihn zufällig gefunden und seine Historie erforscht hat. Das bezweifle ich allerdings. Sie haben ja gesehen, was für ein Aufwand es ist, so ein Fragment genauer zu bestimmen.»
    Dann war’s das wohl, dachte Heinlein. Es war schlicht Zufall gewesen, dass Mangel in unmittelbarer Nähe zu diesem Stein erhängt worden ist. Ein eindeutiger Zusammenhang war nicht herzustellen. Von nun an würde er sich bei den Ermittlungen allein auf das Umfeld des Opfers konzentrieren müssen und waghalsige Theorien über einen Ritualmord ad acta legen.
    «Seltsam ist das allerdings schon», sagte Kremer.
    «Was?», fragte Heinlein.
    «Dieser Bildstock ist mit einer Legende verbunden. Das ist nichts Außergewöhnliches. Im Gegenteil, das ist oft passiert.Aber diese scheint mir doch etwas auffällig zu sein. Ich meine im Zusammenhang mit Staatsanwalt Mangel.»
    «Wie lautet sie?»
    Kremer setzte die Brille zurecht und las vor. «In Güntersleben hatten zwei Brüder einst einen Streit. Es handelte sich um ein Feld, das beide für sich beanspruchten. Da sie sich nicht einigen konnten, musste ein Gericht darüber entscheiden, wem der Acker zugesprochen werden sollte. Nach langem Hin und Her, bei dem viele Zeugen aussagten, wen der verstorbene Vater wohl am ehesten mit dem Stück Land hätte begünstigen wollen, erhielt der Jüngere den Zuschlag. Er war dem Vater in den letzten Jahren seines Lebens oft zur Seite gestanden, während der Ältere sich gern in den Wirtshäusern in Würzburg aufhielt und ein Stück Feld nach dem anderen veräußerte, um seinen Lebenswandel zu finanzieren.
    Nach dem Urteilsspruch ging der Ältere zu dem Bildstock, der die beiden Felder voneinander trennte. In seinem Schatten hatte sich der Vater oft zur Mittagszeit ausgeruht und fromm ein Gebet zu unserem Herrn Jesus gesprochen. Trauer und Wut hatten den Verstand des älteren Bruders längst in Besitz genommen, und so verfluchte er den Vater mit den Worten
Gedenck dein Sündt seint Schult daran,
dass der Jüngere ihm vorgezogen worden sei und er nun in Armut leben müsse. Da kam ein Reiter des Weges und erkundigte sich nach dem Grund dieser zornigen Rede. Der Bruder erzählte ihm, was vorgefallen war. Der Mann auf dem Pferd stellte sich ihm als Ankläger des Gerichts in Würzburg vor und unterbreitete ihm einen Handel. Wenn er dem Älteren das verlorene Land zurückklagen würde, dann solle er für seinen Dienst die Hälfte des Ackers bekommen. Und so geschah es. Der Advokat sorgte für falsche Zeugen, die nun gegen den jüngeren Bruder aussagten. Dem Richter blieb somit nichts anderes übrig, als sein Urteil zu revidieren. Froh um das zurückgewonnene Land wandte sich der Ältere wiederden Wirtshäusern zu und vertrank ein Stück Land nach dem anderen. Die Wirte schenkten ihm widerspruchslos ein, denn die Zeche zahlte der Advokat. Erst als ihm der letzte Acker genommen worden war, erkannt der Ältere, dass er betrogen worden war. In seinem Zorn passte er den Advokaten beim nächsten Ausritt ab und erschlug ihn mit einem Stein. Als er erkannte, was er getan hatte, lief er zurück zum Bildstock und rief alle Schutzheiligen an, ihn vor der

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