Das Mordkreuz
könnte?»
«Ich habe ihn erst vorgestern gesehen. Ich glaube, er wollte wandern.»
«Wo?»
«Bestimmt hier in der Gegend. Aber vielleicht ist er auch in den Steigerwald gefahren. Er hat das mal erwähnt. Dort sollen sie ja auch guten Wein machen.»
«Bestimmt», antwortete Heinlein und machte sich bereit zum Gehen. «Ach ja, Ihr Grauer Burgunder ist vorzüglich.»
«Das freut mich. Warten Sie, ich gebe Ihnen eine Flasche mit.»
«Nein, danke, ich bin im Dienst», antwortete Heinlein.
Kurz darauf saß Heinlein wieder in seinem Wagen, unterwegs zu Imhofs Turm. Ein Anruf auf dem Festnetzanschluss blieb so erfolglos wie das Klopfen an der Tür. Unverrichteter Dinge fuhr Heinlein zur nächsten Adresse auf der Liste. Auch hier hörte er die gleiche Beschreibung des betreffenden Abends. Ja, Imhof war da und hatte viele Gespräche geführt. Nach seiner Präsentation wurde viel diskutiert. Ein Kommen und Gehen setzte ein. Unmöglich, Imhof dabei im Blick zu behalten. Und ja, er könnte sich eine Stunde lang von der Veranstaltung entfernt haben, ohne dass es bemerkt worden war.
Nach dem vierten gleichlautenden Gespräch ließ es Heinlein gut sein. Imhofs Alibi war nicht wasserdicht. Er hätte sich eine Stunde oder länger von der Veranstaltung absentieren können. Niemand wäre das aufgefallen. Zum einen, weil die Gemüter erhitzt waren, zum anderen des Alkoholkonsums wegen.
Heinlein überlegte, welchen Schritt er als Nächsten unternehmen sollte. Vor Imhofs Turm warten, bis er endlich zurückkam, begeisterte ihn wenig. Mit wem hatte er am Tag desVerschwindens von Richter Zinnhobel noch Kontakt gehabt? Gab es jemanden, der ihn gesehen haben könnte?
Richtig, fiel es Heinlein ein, er war beim Weingut Baron und hatte mit Zinnhobel gestritten. Heinlein griff sich an den Kopf. Natürlich, das war der Beweis, dass Imhof die Veranstaltung verlassen hatte. Wieso war ihm das nicht früher eingefallen?
Er startete den Wagen und machte sich auf den Weg.
48
Heinlein ließ das Seitenfenster herunter und genoss den Fahrtwind hinauf zum Weingut Baron. Obwohl sich die Sonne hinter den Wolken versteckt hielt, blieb der Blick hinunter auf die Weinberge und den Main einzigartig. Hier oben wohnen zu können, schätzte er als ein besonderes Privileg ein, das er gern in Anspruch nehmen würde. Noch hatte er über zwanzig Dienstjahre vor sich, aber er könnte sich bereits jetzt gut vorstellen, hier oben seinen Lebensabend zu verbringen – inmitten der Reben, abseits vom Trubel der Welt und doch nahe am Geschehen. Was würde seine stadt- und standesverliebte Frau Claudia darauf antworten, wenn er ihr den Vorschlag unterbreitete, aufs Land zu ziehen?
Die Pappelallee führte ihn zum Parkplatz, wo er den Wagen abstellte. Der Biergarten war nur zur Hälfte besetzt. Eine gute Voraussetzung, um mit Gina und Miro, den beiden Angestellten, ein ruhiges Gespräch über Michael Imhof zu führen. Er blickte sich auf dem Weg zum Ausschank um, ob er sie unter den Gästen ausmachen konnte.
«Wenn Sie einen Platz suchen», sprach ihn ein Mann an, «Sie haben freie Auswahl.»
«Nein, danke», antwortete Heinlein. «Ich bin nicht zum Vergnügen hier.»
Der Mann nickte bereitwillig. «Auch gut. Womit kann ich Ihnen helfen?»
«Ich möchte mit einer Angestellten sprechen. Gina heißt sie.»
«Die arbeitet heute nicht.»
«Dann mit Miro.»
Der Mann, eine stattliche Erscheinung, die gut ein Weinfass den Berg hinaufrollen konnte, eröffnete ihm: «Ich bin ihr Chef. Können Sie mir sagen, worum es sich handelt und wer Sie sind?»
Heinlein wies sich aus. «Heinlein, Kripo Würzburg. Reicht das?»
«Ja, sicher.» Der Mann führte ihn ein paar Schritte weiter in eine ruhige Ecke des Biergartens. «Haben sie was ausgefressen?»
«Sie sollen mir nur eine Information bestätigen. Sie sind also Herr Baron, der Eigentümer des Weingutes?»
«Der Eigentümer, ja. Aber ich heiße Reisinger. Ich habe das Weingut mit dem Namen der Familie Baron vor Jahren übernommen. Darf ich dennoch fragen, worum es sich handelt?»
«Um einen Ihrer Gäste, Michael Imhof.»
«Michael?», antwortete Reisinger überrascht. «Da können Sie auch mich fragen. Wir sind befreundet.»
«Das trifft sich gut. Ich bin auf der Suche nach ihm. Können Sie mir sagen, wo ich ihn finde?»
«Er hat Urlaub. Wahrscheinlich ist er wieder in den Weinbergen unterwegs.»
«Wandern, nehme ich an.»
«Ja. Liegt denn etwas gegen ihn vor?»
«Nichts Konkretes. Es geht um seinen Aufenthalt bei
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