Das Moskau-Komplott
Zeugenaussagen zufolge lebte Safronow nach dem Sturz noch mehrere Minuten und versuchte sogar aufzustehen. Er sollte der Gleichgültigkeit und der Unfähigkeit des Moskauer Rettungsdienstes zum Opfer fallen, der ganze dreißig Minuten brauchte, um Hilfe zu schicken. Die »Helfer« mutmaßten, Safronow sei im Vollrausch aus einem offenen Fenster gefallen. Bei der Autopsie wurden jedoch keinerlei Spuren von Alkohol oder Drogen in seinem Blut gefunden.
Wenn der gewaltsame Tod Iwan Safronows nun Mord und kein Selbstmord war - warum wurde er getötet und von wem? Wie Anna Politkowskaja hatte Iwan Safronow offenbar Dinge aufgedeckt, die Wladimir Putins Kreml vor dem Rest der Welt lieber verbergen wollte, insbesondere dass Russland die Absicht hatte, den »Schurkenstaaten« Iran und Syrien moderne Kampfjets und Raketen zu verkaufen. Damit der Kreml glaubhaft jede Beteiligung an dem Geschäft abstreiten konnte, sollte der Handel angeblich über einen Waffenhändler in Weißrussland abgewickelt werden. Berichten zufolge hatte Safronow in den Tagen vor seinem Tod auf einer Reise in den Mittleren Osten Fakten zusammengetragen, die das geplante Geschäft bestätigten.
Die vielfältigen russischen Waffenverkäufe im Nahen und Mittleren Osten sind hinreichend belegt. Gleiches gilt auch für die Aktivitäten »privater« russischer Waffenhändler. Ein solcher Mann ist Viktor Bout. Oft als »Händler des Todes« bezeichnet und der wohl bekannteste Waffenschieber der Welt, soll Bout an eine breit gefächerte Kundschaft verkauft haben, darunter Gruppen wie die Hisbollah, die Taliban und sogar Zellen der al-Qaida. Im Jahr 2006 beschlagnahmte das US-Finanzministerium mehrere Flugzeuge des Russen und fror seine Vermögenswerte ein. Im März 2008, als ich letzte Hand an dieses Buch legte, wurde er im Zuge einer Geheimdienstoperation unter Federführung der Amerikaner in einem Luxushotel in Bangkok verhaftet. Ihm wird vorgeworfen, den FARC-Rebellen in Kolumbien Waffen im Wert von mehreren Millionen Dollar zum Verkauf angeboten zu haben, darunter auch moderne, schultergestützte Flugabwehrraketen. Während ich diese Zeilen schreibe, sitzt Bout in einem thailändischen Gefängnis und wartet auf seinen Prozess und seine mögliche Auslieferung an die Vereinigten Staaten.
Zum Schluss noch eine Bemerkung zu den »Moskauer Regeln«, nach denen Gabriel Allon und seine Kollegen handeln. Viele von uns sind auf diesen Ausdruck erstmals bei der Lektüre von John le Carres Spionageklassiker
Agent in eigener Sache
gestoßen. Zwar hat der brillante John le Carre viele Jargonausdrücke seiner Spione frei erfunden, doch die »Moskauer Regeln« waren im Kalten Krieg tatsächlich ein Kanon von Verhaltensregeln, und sie sind es noch heute, obwohl der Kalte Krieg angeblich der Vergangenheit angehört. Eine schriftliche Version der Regeln lässt sich verschiedenen Ortes finden, allerdings hat die CIA selbst sich anscheinend nie die Mühe gemacht, sie zu Papier zu bringen. Ein Mitarbeiter der Operationszentrale der Agency versicherte mir, dass die im Motto dieses Romans zitierte Regel richtig wiedergegeben sei und dass sie amerikanischen Spionen während ihrer Ausbildung eingebläut werde. Bedauerlicherweise sind Russlands Journalisten heute gezwungen, sich bei der Ausübung ihres Berufs an ähnliche Verhaltensregeln zu halten - zumindest diejenigen, die es wagen, Kritik an den neuen Herren im Kreml zu üben.
Impressum
Das Moskau-Komplott: Thriller
von Daniel Silva (Autor),
Reiner Pfleiderer (Übersetzer)
Preis: EUR 19,95
Gebundene Ausgabe: 473 Seiten
Verlag: Pendo; Auflage: 3 (April 2010)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3866122489
ISBN-13: 978-3866122482
Originaltitel: Moscow Rules
ebook Erstellung - Juni 2010 - TUX
Ende
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