Das Moskau-Komplott
Regimes erzählt. Die Zentrale beklagte sich immer bitter über die Höhe der Rechnung.« Navot schmunzelte und schüttelte langsam den Kopf. »Diese Idioten in der Buchhaltung haben mir anstandslos einen Koffer mit hunderttausend Dollar drin gegeben, aber wenn ich mein Spesenkonto nur um einen Schekel überzogen habe, gab es ein Donnerwetter. So ist wohl das Leben eines Buchhalters am King Saul Boulevard.«
Der King Saul Boulevard war seit vielen Jahren die Adresse des israelischen Auslandsgeheimdienstes. Der Dienst hatte einen langen Namen, der nur sehr wenig über seinen wirklichen Auftrag aussagte. Für Männer wie Gabriel und Uzi Navot war er einfach nur »der Dienst«, sonst nichts.
»Steht er noch auf der Gehaltsliste?«
»Der Syrer?« Die Rolle Monsieur Laffonts spielend, verzog Navot die Lippen zu einem Pariser Flunsch. »Bedauerlicherweise ist ihm vor einigen Jahren ein Malheur unterlaufen. «
»Inwiefern?«, fragte Gabriel vorsichtig. Er wusste, dass es meistens tödlich endete, wenn einer Person, die mit dem Dienst in Verbindung stand, ein Malheur unterlief.
»Agenten der syrischen Spionageabwehr haben ihn beim Betreten einer Bank in Genf fotografiert. Tags darauf wurde er auf dem Flughafen in Damaskus verhaftet und in die Palästinensische Abteilung< gebracht.« »Palästinensische Abteilung« war der Name des wichtigsten syrischen Verhörzentrums. »Sie haben ihn einen Monat lang gefoltert. Als sie alles aus ihm herausgequetscht hatten, was es herauszuquetschen gab, haben sie ihm eine Kugel in den Kopf gejagt und seine Leiche in ein anonymes Grab geworfen.«
Gabriel blickte zu den anderen Tischen hinunter. Das Mädchen von der Piazza saß nun allein in der Nähe des Eingangs. Die Speisekarte lag aufgeschlagen vor ihr, aber ihre Augen wanderten langsam über die anderen Gäste. Zu ihren Füßen stand eine übergroße Handtasche mit geöffnetem Reißverschluss. Gabriel wusste, dass in der Tasche eine geladene Schusswaffe steckte.
»Wer ist die
bat leveja?«
»Tamara«, antwortete Navot. »Sie ist neu.«
»Und auch sehr hübsch.«
»Ja«, sagte Navot, als wäre ihm das noch gar nicht aufgefallen.
»Ihr hättet eine nehmen können, die über dreißig ist.«
»So kurzfristig war keine andere zu bekommen.«
»Dass Sie mir sauber bleiben, Monsieur Laffont.«
»Die Tage heißer Affären mit weiblichen Begleitoffizieren sind offiziell vorüber.« Navot nahm die Brille ab und legte sie vor sich auf den Tisch. Sie war hochmodisch und viel zu klein für sein breites Gesicht. »Bella findet, dass wir endlich heiraten sollten.«
»Daher die neue Brille. Du bist jetzt Leiter der Operationsabteilung, Uzi. Du solltest eigentlich in der Lage sein, dir selbst eine Brille auszusuchen.«
Die Operationsabteilung war, um mit dem berühmten israelischen Meisterspion Ari Schamron zu sprechen, »die dunkle Seite eines dunklen Dienstes«. Ihre Leute übernahmen die Aufträge, zu denen sonst niemand Lust oder Mut hatte. Sie waren Scharfrichter und Kidnapper, Abhörspezialisten und Erpresser, intelligente und einfallsreiche Männer, die eine größere kriminelle Energie hatten als die Kriminellen selbst, mehrsprachige Chamäleons, die in den besten europäischen Hotels und Salons ebenso zu Hause waren wie in den finstersten Gassen Beiruts oder Bagdads.
»Ich dachte, Bella hätte genug von dir«, sagte Gabriel. »Ich dachte, eure Beziehung liegt in den letzten Zügen.«
»Deine Hochzeit mit Chiara hat ihr den Glauben an die Liebe zurückgegeben. Im Moment stehen wir in zermürbenden Verhandlungen über Zeit und Ort.« Navot runzelte die Stirn. »Mit den Palästinensern den Status Jerusalems auszuhandeln dürfte, glaube ich, leichter werden, als sich mit Bella über die Hochzeitspläne zu einigen.«
Gabriel hob sein Weinglas ein paar Zentimeter vom weißen Tischtuch und murmelte:
»Masltow,
Uzi.«
»Du hast leicht reden, Gabriel«, erwiderte Navot finster. »Du hast die Latte für unsereins ziemlich hoch gehängt. Man muss sich das mal vorstellen, eine Überraschungshochzeit, perfekt geplant und durchgeführt - das Kleid, das Essen, sogar die Gedecke, genau wie es Chiara wollte. Und jetzt verbringst du deine Flitterwochen in einer abgelegenen Villa in Umbrien und restaurierst für den Papst ein Gemälde. Wie soll ein gewöhnlicher Sterblicher wie ich da mithalten?«
»Ich hatte Hilfe«, grinste Gabriel. »Die Operationsabteilung hat bei den Vorbereitungen doch exzellente Arbeit geleistet, findest du
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