Das Moskau-Komplott
ans Telefon gegangen. Und ich habe ein fremdes Gespräch mitgehört, statt aufzulegen. Ganz einfach.«
»Sie waren noch in der Datscha?«
»Nein, wir waren inzwischen aus der Datscha nach Schukowka zurückgekehrt.« »Wer war am Apparat?« »Arkadij Medwedew.« »Warum hat er angerufen?«
»Bei den letzten Vorbereitungen für einen großen Tanz war ein Problem aufgetreten.« »Was für ein Problem?«
»Ein großes Problem. Wäre drohte auf Abwege zu geraten.«
Iwan hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, nach Abschluss eines großen Geschäfts für die Kunden ein, wie er es nannte, Gelage zu geben. Einen Abend in der Stadt, für dessen Kosten er aufkam. Je größer das Geschäft, desto größer die Party. Drinks in den heißesten Bars. Essen in den schicksten Restaurants. Ein Schlummertrunk mit den schönsten jungen Frauen, die Moskau zu bieten hatte. Und ein Team von Iwans Leibwächtern fungierte als Aufpasser und wachte darüber, dass es keinen Ärger gab. Das Gelage mit der afrikanischen Delegation geriet zu einer wüsten Orgie. Sie begann um sechs Uhr abends und dauerte bis neun Uhr am nächsten Abend, ehe die Gäste schließlich halb ohnmächtig in ihre Betten im Hotel Ukraina sanken.
»Das ist einer der Gründe, warum Iwan so viele Stammkunden hat. Er behandelt sie immer gut. Kein Lieferverzug, keine fehlende Ware, keine verrostete Munition. Diktatoren und Warlords hassen verrostete Munition. Sie sagen, Iwans Ware sei immer erstklassig, genau wie seine Partys.«
Das Gelage nach Geschäftsabschluss diente nicht nur der Förderung der Kundenbindung, sondern auch einem anderen Zweck. Es eröffnete Iwan und seinem Sicherheitsdienst die Möglichkeit, in Augenblicken, in denen die Wachsamkeit der Kunden durch übermäßigen Alkoholgenuss und andere Vergnügungen beeinträchtigt war, Informationen über sie zu sammeln. Angesichts der Größe des Geschäfts mit der afrikanischen Delegation fuhr Arkadij Medwedew höchstpersönlich mit ihnen zurück ins Ukraina. Keine fünf Minuten, nachdem er sie dort abgeliefert hatte, rief er Iwan an.
»Arkadij ist ein ehemaliger KGB-Mann. Genau wie Iwan. Normalerweise ist er ein sehr ruhiger Typ. Nicht aber an diesem Abend. Er war aufgeregt. Es war offensichtlich, dass er etwas herausgefunden hatte, worüber er nicht glücklich war. Ich hätte auflegen sollen, aber ich konnte den Hörer einfach nicht vom Ohr nehmen. Also habe ich die Hand auf die Sprechmuschel gelegt und den Atem angehalten. Ich glaube, ich habe fünf Minuten lang kein einziges Mal Luft geholt. Ich dachte, das Herz müsste mir aus der Brust springen.«
»Wieso hat Iwan nicht gemerkt, dass Sie in der Leitung waren?«
»Ich nehme an, wir haben gleichzeitig an verschiedenen Nebenanschlüssen abgehoben. Es war Zufall. Ein dummer, alberner Zufall. Ohne ihn wäre ich jetzt nicht hier. Und Sie auch nicht.«
»Was hat Arkadij Iwan mitgeteilt?«
»Er hat ihm erzählt, dass die Afrikaner vorhätten, einen Teil der Lieferung mit einem stattlichen Aufschlag an Dritte weiterzuverkaufen. Nur dass es sich bei diesen Dritten nicht um den üblichen afrikanischen Rebellenhaufen gehandelt hat.« Sie senkte die Stimme und legte ihre Stirn in Falten, um ihrem Gesicht ein maskulines Aussehen zu geben. »>Es sind die Schlimmsten der Schlimmen, Iwan<«, sagte sie, Arkadijs Stimme nachahmend. »>Die gehören zu den Leuten, die Flugzeuge in Hochhäuser jagen und in U-Bahnen Rucksackbomben zünden, Iwan. Zu denen, die Frauen und Kinder umbringen, Iwan. Die Kopfabhacker und Kehlenschlitzer.«
»Al-Qaida?«
»Er hat diesen Namen nicht ausgesprochen, aber ich habe gewusst, von wem er sprach. Er sagte, dass sie diesen Teil des Geschäfts unbedingt rückgängig machen müssten. Dass die fragliche Ware zu gefährlich sei und nicht in x-beliebige Hände gelangen dürfe. Er hat gesagt, die Folgen könnten auf sie zurückfallen. Auf Russland. Und auf Iwan und sein Netzwerk.«
»Wie hat Iwan reagiert?«
»Mein Mann hat Arkadijs Bedenken nicht geteilt. Ganz im Gegenteil. Die betreffende Ware war der lukrativste Teil des Gesamtgeschäfts. Statt diesen Teil des Geschäfts abzublasen, hat Iwan angesichts der neuen Erkenntnislage darauf bestanden, das gesamte Paket neu zu verhandeln. Wenn die Afrikaner die Ware mit einem deutlichen Preisaufschlag weiterverkaufen wollten, dann wollte er auch seinen Anteil. Außerdem war mit dem Transport und Umschlag der Ware unter Umständen zusätzlich Profit zu machen. >Warum sollen wir die Lieferung
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