Das Moskau-Spiel
schaute ihn freundlich an. »Finden Sie nicht auch, dass das ein großzügiges Angebot ist? Allerdings gilt es nur unter einer Bedingung: Sie sagen mir, was die Russen gezahlt haben.«
Winterroth lief rosa an und schien schneller zu atmen. »Warum wollen Sie das wissen?«
»Geheimdienste wollen immer alles wissen. Zum Beispiel auch, was die Konkurrenz so zahlt, was denen Informationen wert sind, wie dringend sie diese brauchen. Das ist doch ganz leicht zu verstehen, nicht wahr?«
Winterroth schnaufte. Er schlug die Augen zur Decke, dann schaute er Henri verzweifelt an. »Die machen mich fertig, wenn ich es verrate.«
»Ich mache Sie fertig, wenn Sie es nicht verraten.« Er legte ein Diktiergerät auf den Tisch, der älteste Trick der Welt. Das Gerät lag so, dass Winterroth sehen konnte,wie das Band in der Kassette langsam spulte. Ein kleines rotes Licht zeigte an, dass das Diktiergerät gerade aufnahm. Winterroth legte seine Hand auf den Tisch, doch da hatte Henri das Gerät schon weggezogen.
»Sie sind ein Schwein«, stotterte Winterroth. Er beugte sich nach vorn, wollte einen Augenblick sogar aufstehen, um dieses verfluchte Gerät an sich zu reißen. Aber Henri schaute ihn nur an und lächelte. »Ich stimme Ihnen insoweit zu, dass ein Schwein an diesem Tisch sitzt. Was haben die Russen gezahlt?«
Winterroth wurde bleich, er jammerte leise, er stöhnte, und Henri wusste, dass die Flasche aufgegeben hatte. Ein leichtes Spiel. Erbärmlich.
»Sie sind gar nicht von den Amerikanern … ich habe es für meine Kinder getan.«
»Machen Sie sich nicht lächerlich.«
Auf einmal war der Mann schweißnass. Er zitterte am ganzen Körper. »Was soll ich tun? Helfen Sie mir!« Er zerrte an seinem Schlips.
»Bleiben Sie einfach in der Sowjetunion. Das KGB wird Ihnen eine schöne Wohnung geben, Sie können Ihre Kinder und natürlich auch Ihre Frau nachkommen lassen. Es wird Ihnen an nichts fehlen, jedenfalls nach hiesigen Maßstäben.« Henri genoss es.
»Hier bleiben?«, stotterte der Mann. Und er dachte an seine Autos, an seine Geliebte, an den Düsseldorfer Tennisklub, wo sie so angenehm wie anstrengend miteinander wetteiferten, wer der Schönste und Beste und Reichste sei, wer die teuerste Uhr und den schärfsten Betthasen hatte, jener heftigste Grund zum Augenzwinkern. Und das und die Villa und vielleicht einmal die neue, noch größere Villa mit dem größeren Hallenbad und dem neuesten italienischen Sportwagen, den man auf dem Nürburgring ausfahren konnte, der nächste Ausflug mit Freunden nach Sylt … Alles weg, auf einen Schlag.
»Aber ich habe doch gar nichts getan«, stammelte er.
»Ich hab doch keinen umgebracht, keine Bank überfallen …«
»Halten Sie den Mund. Wie viel haben die Russen bezahlt?«
Ein Hundeblick mit tränenden Augen. »Ich weiß nicht so recht …«
»Sie haben also Raten bekommen und müssen die noch zusammenzählen.«
Winterroth nickte eifrig.
»Nachher zählen Sie zusammen, aber jetzt will ich mal eine Schätzung.« Er sprach scharf, zischte fast.
Winterroth lehnte sich ein Stück zurück, dann murmelte er: »Vierhunderttausend … vielleicht.«
»Mark?«
»Franken … Schweizer Franken.«
Henri grinste. »Ganz auf Nummer sicher, sehr gut.«
»Ich bring mich um«, flüsterte Winterroth.
»Wenn Sie es wollen …«
»Aber das können Sie doch nicht mit mir machen. Ich habe nichts Unrechtes getan. Ich brauchte das Geld …«
»Sie können Ihre Lage gewaltig verbessern, wenn Sie sich jetzt zusammenreißen. Gehen Sie zur Toilette, machen Sie sich frisch, kommen Sie zurück an den Tisch mit den anderen, versuchen Sie gern, die Dolmetscherin aufzureißen, und ich werde mir in den nächsten Tagen überlegen, wie wir« – er hatte wirklich »wir« gesagt – »aus der Sache einigermaßen herauskommen. Verstanden?«
Henri konnte beobachten, wie die Hoffnung in Winterroths Augen zurückkehrte. Der schaute Henri erst ungläubig an, dann lächelte er sogar verklemmt, um sich schließlich zu erheben und zur Toilette zu eilen.
Nach dem Essen saß Henri mit Scheffer in dessen Auto, und der kleine Mann fuhr gemächlich durch die Gegend, weil er aufzufallen fürchtete, wenn er mit laufendem Motor am Straßenrand stand. Außerdem hatte er sogut im Blick, was sich vor und hinter ihnen tat. Aber offenbar folgte ihnen niemand.
»Sie hatten recht«, sagte Henri. »Er hat’s verkauft.« Er nahm die Kassette aus dem Diktiergerät und gab sie Scheffer. »Und nun?«
Er sah Winterroth vor
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