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Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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über die drei Heiligen, die in der Gestalt des Demetrius zusammengeführt worden waren. Denn der Mann aus Saloniki war kein Einzelner, sondern eine eigene kleine Dreifaltigkeit. Das erklärte sie routiniert, aber doch mit einiger Distanz, die Heiligen schienen ihre besten Freunde nicht zu sein. So viel verstand Theo schon.
    Da zog ihn jemand von hinten am Ärmel in die Gruppe hinein. Ein kleiner Mann mit einem Kinnbart wie Kalinin, nur war der Bart nicht weiß, sondern dunkelbraun. In einem fast viereckigen Gesicht saß eine breite Nase, dazu passend standen die Ohren ab, und sie waren viel zu groß. Doch insgesamt sah der Mann passabel aus, es passte irgendwie alles zusammen. Er trug eine rote Fliege und einen feinen dunkelgrauen Anzug. »Kommen Sie«, sagte er in einem hölzernen Englisch, »wir lassen uns durchs Museum führen. Ein wenig.« Merkwürdigerweise erschrak Theo nicht, er wusste sofort, wer dieser Mann war.
    Sie schlenderten geduldig mit der Gruppe mit, in der sich offenbar keiner daran stieß, dass sich zwei Parasiten eingeschlichen hatten. Dann beschleunigte die Reiseführerin, und alle liefen hinterher wie eine Ziehharmonika, die sich beim Bremsen vor der nächsten Ikone wieder zusammendrückte.
    Theo schaute Protossow an, aber der blickte stur auf die Reiseführerin, die nun ganz in ihrem Monolog aufging, als sie vor Mandylion standen, einer Christusdarstellung – der feine Kopf mit langen Haaren vor einem Kreuz, die Augen blicken nach rechts –, die angeblich über ein Tuch vom Gesicht des Gottessohns abgenommen worden war. Sie war jetzt in Hochform und zeigte sich heftig verliebt in diese eine Ikone. Aber nun zog Protossow an Theos Ärmel, kurz nur und leicht, aber Theo verstand das Zeichen. Langsam rückten sie an denRand der Gruppe, die sich ganz auf ihre plötzlich enthusiasmierte Führerin konzentrierte. Dann schlenderten sie weg, als hätten sie nie etwas mit diesen Leuten zu tun gehabt. Vor manchen Bildern blieben sie schweigend stehen, Protossow nickte hin und wieder, um zu zeigen, wie gut es ihm gefiel. Dann stiegen sie die Treppen hinunter, gingen zur Garderobe, lösten die Marken gegen ihre Mäntel ein und verließen die Galerie. Sie mussten um ein paar Ecken gehen, und Theo verstand, dass es dazu diente, die Umgebung sorgfältig nach Verfolgern zu überprüfen.
    Auf einem Parkplatz stand ein dunkelblauer Honda Accord. Als sie im Auto saßen und Protossow in die Straße eingebogen war, sagte er: »Sie spielen mit dem Feuer, junger Mann.« Dann lachte er und sah plötzlich auch viel jünger aus.
    Theo lachte zurück, aber er hatte Angst, was nun geschehen würde.
    »Wo sind Sie untergebracht?«
    »In einem Hotel am Ismailowopark.«
    »Wie sind Sie eingereist?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Einzelreisender, Gruppe?«
    »Gruppe.«
    »Immerhin. Dann geht es nicht so schnell, mit ein bisschen Glück.«
    »Was geht nicht so schnell?«
    »Ihre Verhaftung.«
    Theo stellte sich vor, wie er verhaftet wurde. Er kannte das Risiko von Anfang an, aber sie würden ihn schon irgendwie raushauen. Wie Mathias Rust. Doch ein paar Monate im Knast waren eine hässliche Vorstellung.
    »Warum sollen die mich verhaften?«, fragte er trotzdem, als wollte er es auf gar keinen Fall glauben. Er tat doch nichts, jedenfalls bisher.
    Der Professor bremste an einer Ampelkreuzung, rechts vorn schnaufte ein Betonmischer an ihnen vorbeiund blies wie aus Protest eine schwarze Dieselwolke über die wartenden Autos. Es stank.
    Protossow schaute ihn spöttisch an. »Seien Sie nicht naiv, wir sind in Russland … entschuldigen Sie, dass ich so direkt bin, aber wir haben keine Zeit.«
    Theo schaute ihn skeptisch von der Seite an.
    »Sie haben genau drei Möglichkeiten. Möglichkeit Nummer eins: Sie lassen sich verhaften, morgen, spätestens übermorgen, und fliegen irgendwann hochkant hinaus, nicht ohne vorher die Vorzüge des russischen Strafvollzugs genossen zu haben. Das ist die milde Variante. Vielleicht werden Sie auch Opfer eines Verkehrsunfalls wie Ihr Kollege, eins b.« Er hob die Augenbrauen. »Oder geraten bedauerlicherweise mitten hinein in eine Schießerei. Mit der Mafia soll das in Russland ja ganz schlimm sein. Das wäre dann Variante eins c.«
    »Oder?«
    »Zweite Möglichkeit: Sie verstecken sich in Moskau, tauchen unter. Das ist deswegen heikel, weil Sie, pardon, nicht so gut Russisch sprechen, dass Sie nicht auffielen. Früher oder später käme es dann doch zu Variante eins a bis c.«
    »Das beruhigt mich

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