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Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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den Tisch, um diese Tatsache zu bekräftigen.
    »Auch wenn wir Ihnen nicht alles sagen können. Um uns zu schützen, um unseren Plan zu schützen, um Sie zu schützen«, sagte der Major.
    Sie saßen in einer konspirativen Wohnung irgendwo im Osten Moskaus, wo Henri zunächst überrascht war, auch Rachmanow anzutreffen. Aber der gehörtezur Gruppe, oder wie immer man diese Leute nennen sollte.
    »Also liegen Ihre Karten doch nicht offen. Ich weiß nicht, ob Sie das deutsche Kartenspiel Skat kennen. Da gibt es eine Spielvariante, die nennt sich Null ouvert. Wer das spielt, muss die Karten aufgedeckt auf den Tisch legen, und seine beiden Gegner können ihn bei der geringsten Schwäche im Blatt fertigmachen.«
    Eblow schüttelte den Kopf.
    »Das nenne ich offene Karten.«
    Eblow und Rachmanow tauschten einen langen Blick aus. Dann griff der Major in die Aktentasche, die neben ihm auf dem grauen Sofa lag, und zog eine Holzkiste hervor. Die beiden anderen saßen nebeneinander auf einem zweiten Sofa Eblow gegenüber. Draußen war es dunkel geworden.
    Eblow legte die Kiste auf den ovalen Tisch, Eichenfurnier, in der Mitte eine kleine weiße Spitzendecke, darauf ein Kristallaschenbecher und eine leere Blumenvase, braun, mit chinesischen Motiven. Der Major klappte den Kistendeckel auf. »Fehlfarben, aber kubanische, die beste Qualität gibt’s nur im Ausbeuterparadies.« Er brummte noch etwas hinterher.
    Dann erhob er sich, ging zu einer Vitrine, der er eine Flasche entnahm und drei Gläser, grusinischen Weinbrand. Er stellte alles auf den Tisch, schob die Zigarrenkiste zu Henri hin, der sich eine nahm und daran roch. Sie duftete schwer, und er stellte sich vor, wie kubanische Zigarrendreher in Sitzreihen in der tropischen Hitze arbeiteten, während vorn am Pult ein Kollege mit breitkrempigem Strohhut vorlas. Eblow legte eine Schachtel Streichhölzer auf den Tisch, schob die Kiste zu Rachmanow, der sich nach einigem Überlegen für eine Zigarre entschied, bis sich auch Eblow bediente. Reihum steckten sie die Zigarren an. Dann goss Eblow jedem Weinbrand ein. Er hob sein Glas, und sie stießen respektvoll auf deutsche Weise an.
    Der Major kratzte sich auf dem Kopf, tauschte einen Blick mit Rachmanow. Dann räusperte er sich. »Ich glaube, ich habe Ihnen schon gesagt, es gibt eine kleine, sehr kleine Gruppe unzufriedener Genossen. In der Parteisprache nennt man so etwas eine oppositionelle Frak tion, das ist seit Lenins Zeiten so ziemlich das Übelste, was ein Kommunist anstellen kann. Die Partei hat immer recht. Was die Partei tut, entscheidet die Führung, sie ist das Gehirn der Partei.«
    Rachmanow schaute verzweifelt an die Decke. Dann sog er den Rauch ein, und als er ihn wieder in den Raum geblasen hatte, trank er sein Glas in einem Zug aus.
    »Unsere Wirtschaft ist kaputt«, sagte Eblow dumpf. »Die Sowjetunion ist ein gelähmter Gigant, und die Lähmung schreitet fort, bis der Riese völlig verknöchert ist und fast alles stillsteht. Stillstand aber heißt Untergang. Aber das wissen Sie alles, Sie lesen ja Zeitung .« Welche Bitterkeit allein in diesem kurzen Satz lag: Sie lesen ja Zeitung, Sie dürfen lesen, was Sie wollen, Sie sind informiert, während unsere Bürger dumm gehalten werden und in der Zeitung Humbug steht. Henri verstand gut, was Eblow meinte.
    Rachmanow trank noch einen, dann platzte er heraus: »Das ist schlimm, sehr schlimm. Aber noch schlimmer ist etwas anderes.« Er zog wieder heftig an seiner Zigarre. »Tschernenko heißt Krieg«, stieß er hervor.
    Henri erschrak angesichts der Vehemenz und der Bitterkeit des Funktionärs.
    Eblow wartete, ob Rachmanow etwas hinzufügen wollte, dann, als dies nicht geschah, sagte er betont ruhig: »Da sonst nichts mehr funktioniert außer der Rüstung und der Raumfahrt, werden sie die letzte Runde im Wettrüsten einläuten. Sie werden versuchen, dem Westen zu demonstrieren, dass das Totrüsten nicht klappt. Und der Westen wird beweisen wollen, dass es sehr wohl klappt. Am Ende stellen wir wieder Raketen auf Kuba auf, inzwischen können wir die mit Flugzeugen transportieren, und die Amerikaner spicken Europa und die Türkei mit Pershings und Cruise Missiles. Sie werden die Reichweiten der Pershings verlängern, wenn sie es nicht schon längst getan haben, und sie werden damit den Gipfel an Panik auslösen, den es braucht, um in einen Krieg zu schliddern. Endloses Wettrüsten gibt es nicht, wer dabei zu verlieren droht, wird seine letzte Chance nutzen. Wir werden also

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