Das Moskau-Spiel
wär dir echt dankbar, Robert. Einfach sagen, Georg Scheffer will Professor Protossow sprechen. Und wenn du ihn dran hast, überlässt du mir den Hörer, und ich komme zu euch zurück und gebe bei der nächsten Gelegenheit eine Runde aus. Das mit der Tretjakow-Galerie übernehme doch besser ich.«
»Und das ist bestimmt keine krumme Sache?«
»Ich mache keine krummen Sachen. Und wenn ich welche machen würde, dann würde ich keine anderen Leute hineinziehen. Ehrenwort! Wenn man das aus der Warte der verdienten Genossin Protossow sieht, gibt es weltweit natürlich nichts Krummeres als unsere Aktion.«
Robert lachte. »Na gut, dann wollen wir die Genossin mal austricksen.« Er schaute sich sorgfältig um, als könnte er so Geheimagenten entlarven, die das Telefonat mithören wollten.
Robert wählte, wartete, dann hatte die andere Seite abgenommen, und Robert sagte sein Sprüchlein auf. Seine Hände zitterten ein wenig, aber sein Russisch war wirklich gut, auch wenn er hier und da stotterte, dies vor allem, weil er aufgeregt war. Robert hörte eine Weile zu, dann musste er warten, aber er nickte heftig in einer Mischung aus Erwartung, Anspannung und erhoffter Erleichterung. Wie gut, dass ich ihm die Geschichte mit der Galerie doch nicht überlassen habe, der ist jetzt schon mit den Nerven fertig. Aber es ist ja kein Wunder.
Robert stieß ihm den Hörer geradezu entgegen, ein breites Lachen im Gesicht, und er nickte wieder.
»Herr Professor?«, fragte Theo, während Robert eilig verschwand.
»Was wollen Sie?« Eine barsche Stimme.
»Ich möchte mir den Demetrius von Saloniki in der Tretjakow-Galerie anschauen. Ich habe gehört, Sie seien Experte für Ikonenmalerei. Ist das nicht Ihr Hobby? Wäre Ihnen morgen um sechzehn Uhr recht? Wir könnten ihn gemeinsam anschauen.«
»Da müssen Sie sich verhört haben. Ich habe keine … Hobbys.«
»Wussten Sie, dass Demetrius einen Bruder hatte? Wirklich. Ich habe gehört, Sie hatten zuletzt mit ihm zu tun. Also, nicht persönlich, aber er soll Sie sehr beeindruckt haben.«
»Ich weiß wirklich nicht, was Sie von mir wollen. Sie müssen mich verwechseln.«
»Aber Sie sind doch Professor Protokow, der Kunstexperte.«
»Sie sprechen mit dem Gerichtsmedizinischen Institut und ich bin Professor Protossow, und jetzt lassen Sie mich bitte weiterarbeiten.«
»Schade. Es tut mir leid, dann habe ich mich wohl geirrt.«
Der Professor fluchte und legte auf.
Er sitzt auf dem Thron und zieht mit der Rechten das Schwert halb aus der Scheide. Auf der Plakette daneben steht, dass das Bild aus der Mariä-Himmelfahrts-Kathedrale in Dmitrow stammt.
Theo stand vor der Ikone und mühte sich, wie ein Tourist auszusehen, dabei rechnete er jeden Augenblick damit, verhaftet zu werden. Er spürte schon die Hand auf der Schulter, oder wie würden sie es machen? Möglichst unauffällig natürlich, man war ja in einem Kulturtempel, und es wimmelte von Kunstinteressierten und jenen, deren Besuchsprogramm die Tretjakow-Galerie vorschrieb.
Möglichst unauffällig, fast verschämt warf er immer wieder schnelle Blicke auf seine Armbanduhr, deren Minutenzeiger offenbar eine Erholungspause eingelegt hatte. Es war unerträglich. Wer würde kommen, der Professor, das FSB ? Oder niemand?
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Daran hatte sich nichts geändert, die wichtigen und dringenden Angelegenheiten landeten früher oder später auf dem Schreibtisch des Chefs. Das war Eblow oft lästig, weil Untergebene sich gern vor der Verantwortung, genauer gesagt ihren Folgen, drückten und sie nach oben weitergaben. Das war früher so gewesen, und es war immer noch so. Also stapelte sich allerlei Blödsinn auf dem Schreibtisch des Generalleutnants, und in der Regel verspürte er nicht die geringste Lust, sich damit abzugeben. Doch da auch ein Generalleutnant Chefs hatte, wenn deren Zahl auch nicht so groß war wie etwa bei einem Oberst, blieb Eblow zur eigenen Sicherheit nichts anderes übrig, als sich den Papierstapel vorzunehmen, der fast liebevoll, wenn es das denn gab im russischen Geheimdienst, in einer Pappmappe sortiert war. Er schnaufte, zwirbelte den Geisterbart und klappte den Deckel auf. Berichte über Journalisten lagen obenauf, auch über Reporter aus dem Ausland. Neugieriges Pack, Schmeißfliegen, die nichts mehr anzog als Gestank. Einen Italiener hatten sie verhaftet, ein bisschen verprügelt, ihn dann verwarnt, bis er am Ende freiwillig abzog. Alle suchen sie nach den Geheimnissen der Jelzin-Oligarchen, dieser Gangster,
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