Das Moskau-Spiel
zurück, schloss die Augen, öffnete sie wieder und lächelte, ganz fein und kurz. »Ich kenne jemanden, der ist auf diese Din ger schärfer als Nachbars Lumpi. Was ist der Haken?«
»Der Preis«, sagte Henri. »Zehn Millionen US – Dollar, zahlbar bar und im Voraus.«
»Bar und im Voraus«, wiederholte Hansmeier leise. Er sinnierte eine Weile, dann die Frage: »Wer ist der Anbieter?«
»Keine Auskunft«, sagte Henri. »Jedenfalls jetzt nicht. Der Anbieter traut unseren Sicherheitsorganen nicht. Aus eigener Anschauung, so soll ich es ausrichten. Es gibt keine Namen, keine Daten. Es gibt nach der Zahlung den Jet und die Pläne.«
Wieder eine Denkpause. »Wenn ich nicht wüsste, dass Sie erstklassige Beurteilungen durch Ihre Vorgesetzten haben, dann würde ich Sie jetzt rausschmeißen und Ihnen eine Observierung verpassen, die sich gewaschen hat. Das stinkt nach einer Provokation. Da will uns einer abzocken. Aber es ist Herr Martenthaler, der die frohe Botschaft aus Moskau mitbringt, einer unserer Besten. Seit vielen Jahren.« Er schaute ihn mit schief gelegtem Kopf an und wiederholte: »Einer unserer Besten.«
Henri erwiderte den Blick, sagte aber nichts. Er über legte, was er an Hansmeiers Stelle tun würde. Aber er war nicht Hansmeier, er steckte nicht in diesem Appa rat des gegenseitigen Misstrauens, des Neids und der Durchstechereien. Eine Löwengrube musste dieses Kanzleramt sein, wo sich alle um die Gunst des Dicken balgten.
»So etwas haben wir noch nie gemacht. Und bei Geschäften mit solchen Leuten ist es üblich, etwas anzuzahlen und den Rest bei Lieferung zu übergeben.«
»Ich weiß, es ist ungewöhnlich.«
»Können Sie sich dafür verbürgen?«
»Für zehn Millionen Dollar? Nein, natürlich nicht.«
Hansmeier legte wieder seinen Kopf schief.
»Wir kennen die Leute nicht, aber Sie wissen, wer die sind …«
Henri nickte.
»Sind sie vertrauenswürdig?«
»Ich glaube schon«, sagte Henri. »Ich vertraue ihnen jedenfalls.« Und er dachte an ihr langes Gespräch und an diesen abenteuerlichen Plan, der aber unabweisbar richtig war. Den jedoch nur jemand angehen konnte, der entweder irre war oder die Welt retten wollte. Allein, wie das klang: die Welt retten. Wahrscheinlich waren Leute, die die Welt retten wollen, von Haus aus irre.
»Wenn die Sache schiefgeht, fallen sie alle über uns her, über die Dilettanten in BND und Kanzleramt. Und der Bundeskanzler schickt uns in die Wüste, wenn wir Glück haben. So eine Pleite ließe sich kaum geheim halten. Vielleicht ist es eine Falle?«
Ja, womöglich, dachte Henri. Eine kleine Revanche für die Nibelungentreue des Kanzlers gegenüber Reagan, der das Reich des Bösen vernichten will. Eine nette Vorstellung, dem Bundeskanzler mal schnell zehn Millionen aus den Rippen kurbeln. Nur, darum geht es nicht. Obwohl, so, wie die Sache eingefädelt wird, so würde ich eine Intrige auch einfädeln. Einige Augenblick wankte Henris Gewissheit, doch dann ging er dasGespräch in Moskau schnell noch einmal durch und bedachte die Charaktere der Männer, die er kennengelernt hatte. Sie hatten sich ihm ausgeliefert, immerhin. Hätte er das Gespräch insgeheim mitgeschnitten, dann erwartete beide bestenfalls Sibirien, wahrscheinlich aber der Tod.
Es sei denn, sie handelten als Provokateure im Auftrag des KGB .
»Nein«, sagte Henri endlich. »Ausschließen kann ich es zwar nicht, aber ich wäre nicht hier, wenn ich es wirklich befürchtete. Wenn wir nur Dinge verfolgten, bei denen wir jedes Risiko ausschließen könnten, täten wir nichts mehr.«
Hansmeier warf ihm einen erstaunten Blick zu, offenbar waren sie im Kanzleramt selbstbewusste Mitarbeiter nicht gewohnt. Diese kleine Szene weckte Henris Verachtung für die Sesselfurzer, die Bedenkenträger, die so gern über ihre Verantwortung und ihren Gestaltungswillen laberten, aber nicht mal ihre Pension riskierten, wo andere den Kopf hinhielten. Man sollte diesen Leuten ein Praktikum in sowjetischen, chinesischen oder chilenischen Knästen verordnen, damit sie endlich erfuhren, worum es ging. Der Mann, der ihm gegenübersaß, verdiente gut und gerne das Doppelte, wenn nicht mehr, weil er die Macht verwaltete. Er war der Handlanger des Kanzlers und wurde dafür bezahlt, dass er loyal blieb.
Sie schwiegen lange. Dann sagte Hansmeier, was Henri erwartet hatte. »Das kann ich nicht allein entscheiden, ich werde das dem Herrn Bundeskanzler vortragen. Bitte kommen Sie morgen Vormittag, sagen wir zehn Uhr, wieder zu
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