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Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Bundeskanzler hat mich dringend angewiesen, Sie darauf hinzuweisen, dass die Amerikaner unser engster Verbündeter und nicht zuletzt unsere Schutzmacht sind. Das ist erst unter der neuen Bundesregierung wieder zum Zentrum der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik geworden. Um es noch deutlicher zu sagen: Wir sind auf Washington angewiesen. Diese Freundschaft ist für uns überlebenswichtig. Nur auf dieser Grundlage sind wir gegenüber dem Osten handlungsfähig. Ich bitte Sie, sich diese Grundsätze restlos anzueignen, sofern es noch nicht geschehen sein sollte.«
    Als er zum Flughafen fuhr, das vom Kanzleramt eiligst besorgte Ticket in der Tasche, konnten die blauschwarzen Wolken am Himmel sich nicht entscheiden, ob sie Regen oder Schnee herunterschicken sollten. Also jagten Graupelschauer durch die Stadt. Henri fühlte sich mies. Nicht weil er seit dem Frühstück nichts gegessen hatte, nicht wegen des unruhigen Flugs, der ihn wahrscheinlich erwartete, sondern angesichts der Vorstellung, dass er nun doch mit Mavick zusammenarbeiten musste. Bei der letzten Gelegenheit hatte er sich einigermaßen elegant aus dem Staub gemacht. Diesmal würde er nicht davonkommen. Diesmal war er in der Hand der Amerikaner. Und der Sowjets. Und irgendeinen würde er zwangsläufig verprellen. Und derjenige würde ihn am liebsten umbringen. Und wenn er es konnte, würdeer es tun. Rosige Aussichten, dachte er, wirklich rosige Aussichten. Und er stellte sich einen Augenblick vor, er würde jetzt einfach abhauen. In die Südsee oder ins hinterste Asien. Aber sie würden ihn überall suchen. Und er hatte sich ja vorgenommen, diese Sache mit den Russen durchzustehen. Also würde er es durchstehen. So einer war Henri.
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    Theo hatte ganz darauf gesetzt, dass Sonja wenigstens einen Funken Ehrgefühl hatte, dass sie nicht nur eine FSB – Nutte war, dass der Geheimdienst sie womöglich gezwungen hatte, mit ihm ins Bett zu gehen. Das war seine Hoffnung, seine einzige Hoffnung, wenn er sich nicht selbst belog. Nur, was las er in ihren Augen außer dem Schrecken, den sein Überfall auslöste? Sie öffnete den Mund, um zu schreien, aber sie kriegte keinen Ton heraus. Sie war bleich, und einen Augenblick wollte Theo glauben, er sei tatsächlich der Untote, den sie offenbar in ihm sah. Sie hatte mit allem gerechnet, nur nicht mit Theo.
    Da sie nichts sagte, fragte er: »Was bist du? Eine Prostituierte? Wobei, wenn ich es mir überlege, es soll ja Nutten geben, denen Ehrlichkeit und Fairness nicht völlig fremd sind. Wie sieht es mit dir aus?« Er sprach schnell und eindringlich, es waren die Sekunden, die über sein Schicksal entschieden. Und er sprach immer weiter, als wollte er so jeden bösen Gedanken aus ihrem Hirn vertreiben. »Keine Angst, ich tu dir nichts. Ich lasse mich nur ungern verarschen. Du hast mir dieses Foto unter gejubelt. Du hast mich bloßgestellt. Du hast im Auftrag des FSB mit mir geschlafen. Was soll ich von dir halten? Sag es mir!« Aber er gab ihr keine Zeit, etwas zu sagen, sondern sprach immer weiter und versuchte während dessen in ihren Augen zu lesen, was sie dachte. »Bist du wirklich so ein schlechter Mensch? Wirst du mich ver raten? Noch einmal und diesmal richtig? Willst du mich ins Gefängnis bringen? Was sind deine Pläne?«
    Als er in ihren Augen sah, dass der erste Schrecken gewichen war, löste er den Griff. »Gehen wir was trinken. Eine Kleinigkeit zu essen würde mir auch nicht schaden.«
    Sie schaute unschlüssig zu ihm, dann umher, und Theo verstand nicht, ob ihre Augen einen Polizisten suchten oder eine Gaststätte. »Ein paar Meter weiter«, erinnerte sie sich, »da gibt es eine Art Restaurant.« Sie ging los, er zögerte, dann ging er mit. Er hatte ja keine Wahl. Für diesen Augenblick war er gekommen, und es war ihm in den vergangenen Minuten sonnenklar geworden, dass er verrückt sein musste, absolut verrückt, sich auf dieses Spiel einzulassen. Kamikaze in Moskau.
    Es war tatsächlich eine Gaststätte, die Filiale einer Kette, in der russische Gerichte in weniger als zehn Minuten auf den Tisch kamen, wenn man dem Reklameplakat in der gläsernen Eingangstür glauben wollte. Das Restaurant war halb gefüllt, sie ging vor und steuerte einen Tisch am Fenster an. Er achtete darauf, ob sie ihr Handy zückte, um Hilfe zu rufen, aber sie legte ihre Arme auf den Tisch, als wollte sie demonstrieren, dass sie nichts Übles im Schilde führte. Er setzte sich ihr gegenüber, als schon eine Kellnerin erschien

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