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Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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einzudringen. Der Professor passierte das Schwesternzimmer und sah durch die Scheibe, dass die Nachtschwestern Tee tranken und sich unterhielten. Sonst war alles ruhig. Der Professor öffnete die Tür des Krankenzimmers und trat ein. Er schloss die Tür hinter sich. Jede seiner Bewegungen verriet Gelassenheit und Sicherheit. Er stellte sich an den Fuß des einzigen Krankenbetts in dem großen Zimmer. Die Vorhänge waren geschlossen, ein schwaches weißes Licht über der Tür ließ die Falten im schlaffen Gesicht des Kranken fast kantig erscheinen. Er hatte die Haare nach hinten gekämmt. Ein Bürokratengesicht, dachte der Professor, ein Mann ohne Konturen, und wenn er je welche gehabt hatte, waren sie ihm abgeschliffen worden wie all diesen Apparatschiks, die nach oben gespült worden waren als ewige Jasager. Der Professor stand still, war ganz vertieft in den Anblick des zweitmächtigsten Mannes der Welt. Er bedachte noch einmal die Argumente und verschwendete auch ein, zwei Gedanken an sein neues Konto in der Schweiz und die Hoffnungen, die er sich machte für sein neues Leben.
    Er holte ein Glasfläschchen aus dem Kittel, dessen Deckel er gleich aufschraubte und in der Tasche verschwinden ließ. Als die Hand wieder auftauchte, umfasste sie eine Spritze. Geschickt, er hatte es Tausende Male gemacht, zog er mit der Spritze das Paraquat, das der Major besorgt hatte, aus der Flasche auf undsteckte diese dann ebenfalls in die Tasche. Dann legte er die Spritze auf den Nachttisch des Patienten, stellte den Hocker von der Wand neben das Bett in Höhe des Fußendes, setzte sich darauf, nahm die Spritze und drückte ein paar Tropfen der Flüssigkeit aus der Nadel. Er saß eine Weile so, als meditierte er. Dann hob er die Decke über den Füßen, beugte entschlossen das rechte Bein, was ihm ein Stöhnen des Patienten eintrug, und stach die Spritze in die Kniekehle, der Patient röchelte. Er drückte das Bein wieder gerade, zog die Decke darüber, erhob sich und stellte den Hocker zurück an seinen ursprünglichen Platz. Die Spritze steckte er in seine Kitteltasche. Dann stellte er sich ans Fußende des Betts und erkannte, dass der Patient ihn anschaute.
    »Es ist alles in Ordnung, Genosse Generalsekretär«, sagte der Professor lächelnd.
    Tschernenko schüttelte den Kopf, ließ dann seine Augen zu seinen Beinen wandern, öffnete den Mund, bekam aber nichts heraus. Dann griff Tschernenko nach der Notklingel, die über seinem Bett hing. Der Professor sprang fast nach vorn, packte das Handgelenk des Generalsekretärs mit der einen Hand, um mit der anderen die Finger aufzubiegen und die Klingel herauszunehmen. Tschernenko sank nach hinten und schloss die Augen. Der Professor wischte die Klingel mit seinem Taschentuch ab und wartete, während er Tschernenko beobachtete. Der atmete flacher, dann kaum noch. Endlich gab der Professor die Notklingel frei, sodass sie wieder über dem Bett des Generalsekretärs baumelte. Dann wandte er sich ab und verließ das Zimmer. Er sah sehr nachdenklich aus.
    › ‹
    »Henri, du?«
    Keine Antwort aus dem Telefonhörer.
    »Also, was willst du?«
    »Ihr müsst mir Papiere für Moskau geben.«
    »Du bist verrückt.«
    »Mein Junge ist da und steckt in der Scheiße.«
    »Ich weiß, dass er dort ist. Aber ob er in der Scheiße steckt …«
    »Natürlich steckt er drin. Er will die Scheffer-Sache aufklären, und wenn ihm das gelingt, dann sitzen wir alle in der Scheiße. Er lässt sich nicht linken. Und wenn es ihm nicht gelingt, ist die Kacke auch am Dampfen, jedenfalls für ihn. Er setzt eine Herde von üblen Leuten auf seine Spur. Das lassen die sich nicht gefallen, dass da einer herumschnüffelt. Theo kommt da allein nie raus. Oder wollt ihr ihn rausholen?«
    Langes Schweigen. »Wie denn? Wir wissen ja nicht mal, wo er ist.«
    »Ihr müsst es vorbereiten, sofort. Ich gehe rüber, finde ihn und dann bringt ihr uns raus.«
    Wieder ein langes Schweigen.
    »Das kann mich den Kopf kosten.«
    »Das wäre noch billig, Klein.«
    »Henri, wenn das alles auffliegt, dann wird es auch dich erwischen.«
    »Mich hat es schon erwischt, das hast du übersehen.«
    »Wenn du das so meinst … aber es kann noch ganz anders kommen. Die Freunde in Übersee haben dich nicht vergessen, und wenn die Freunde in Moskau herausfinden, was du angerichtest hast … die sind rachsüchtig, immer noch. Es geht um die nationale Ehre. Und man munkelt nicht nur in Langley immer noch über den Tod dieses Amerikaners. Es sind zu

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