Das Moskau-Spiel
haben damit nichts zu tun. Sie wurden hereingelegt. Zweitens, der BND wollte keine Großoperation gegen uns durchführen. Dazu ist er nicht in der Lage, und wäre er es, würden die Bonner unseren Gegenschlag mehr fürchten als der Genosse Stalin den Trotzkismus …«
Jakowlew lachte, auch Gorbatschow musste schmunzeln.
Aber Tschebrikow ließ sich nicht verunsichern. »Wenn Smirnow abgetaucht ist und dieser Martenthaler zehn Millionen Dollar erschwindelt hat, die ebenfalls verschwunden sind, wenn Smirnow als Leibarzt die Möglichkeit hatte, den Generalsekretär zu ermorden, was sollen wir daraus schließen?«
Schweigen.
Dann Sokolov: »Genosse Viktor Michailowitsch hat natürlich recht. Wir sollten unseren Sicherheitsorganen dankbar sein für die gründliche Arbeit.«
Gorbatschow wiegte seinen Kopf, das Licht ließ seine Halbglatze glänzen. »Natürlich muss man diesen Schluss ziehen. Es handelt sich also um eine Verschwörung in der Partei, bei der dieser westdeutsche Agent als Geldbeschaffer mitgewirkt hat. Wir sollten die Sa che nicht an die Öffentlichkeit dringen lassen. Es würde kein gutes Bild auf uns werfen, wenn man im feindlichen Lager, aber auch bei uns zu Hause, annehmen müsste, es sei möglich, einen Generalsekretär der KP d SU zu er morden.« Er hielt inne und brachte Tschebrikow, der zu reden ansetzte, mit einem Wink zum Schweigen. »Es ist eine Frage der nationalen Ehre, dass niemals jemand erfährt, was geschehen ist.« Er wandte sich an den KGB – Chef: »Sie wissen, was Sie zu tun haben, Genosse Tschebrikow.«
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Am Abend saßen führende Genossen der Zweiten Hauptverwaltung in einem kleinen Konferenzraum in der Lubjanka, um Tschebrikow anzuhören. Eblow saß nur drei Plätze vom Tischkopf entfernt, wo der KGB – Chef einen Aktenstapel angehäuft hatte. Obenauf lag sein in schwarzes Leder eingebundenes Notizbuch.
Tschebrikow erklärte seinen Leuten, dass es eine Verschwörung gegen die Partei gebe, in die eine unbekannte Zahl von Genossen, aber auch ein westdeutscher Agent verwickelt seien.
Obwohl der KGB – Chef Tschernenko mit keinem Wort erwähnte, wusste Eblow sofort, was gespielt wurde. Das KGB suchte ihn, Rachmanow, Smirnow, der sich in die Schweiz abgesetzt hatte, und Henri Martenthaler.
Tschebrikow kannte nur Smirnows Namen, aber er setzte alles daran, dass es dabei nicht blieb.
»Wir müssen ihn ergreifen, er ist der Schlüssel der Verschwörung. Wenn wir ihn verhören, scharf verhören, wird er uns sagen, wer die Verräter in unseren Reihen sind. Wir wissen, wo er arbeitet und wo er wohnt. Wir werden ihn also schnappen, daran kann es keinen Zweifel geben. Es werden übrigens auch die Amerikaner nach ihm suchen. Wir müssen ihn vorher in die Hände bekommen. Aber es darf nicht auffallen, wir lassen ihn verschwinden, vernehmen ihn, dann sehen wir weiter.«
Tschebrikow schaute sich um, aber natürlich erwartete er keinen Widerspruch. Dann sagte er mit leiser Stimme: »Was diese Verräter angerichtet haben, ist und bleibt ein Staatsgeheimnis. Niemand von Ihnen hat die Befugnis, den westdeutschen Agenten zu verhören. Haben Sie mich verstanden, Genossen?«
Wieder der Blick in die Runde, die Genossen nickten mit bitterernsten Gesichtern.
»Und wenn wir die Verräter haben, wird keiner von Ihnen, sagen Sie das auch den beteiligten Genossen, je ihre Namen in den Mund nehmen. Diese Kreaturen werden ausgetilgt mitsamt ihren Namen. Sie haben nie zu uns gehört, nicht zur Partei und, sollte es so sein, auch nicht zum Komitee für Staatssicherheit.«
In der Ecke sah Eblow die Statue von Feliks Dserschinski, das hagere Gesicht, ausgemergelt fast, der stechende Blick. Ihm wurde übel, er schwitzte.
»Genosse Major, ist Ihnen nicht gut?« Tschebrikow verzog sein Gesicht für einige Sekunden zu einer Miene, die er gewiss als Mitleid verstanden haben wollte.
»Das Essen, Genosse Vorsitzender, ich glaube, ich vertrage es nicht.«
Tschebrikows Gesicht war gleich wieder kalt und grau. »Oberst Kusnezow, Sie übernehmen die Leitung dieser Operation. Wenn es Major Eblow wieder gut geht, dann sollten Sie ihn und seine Truppe an vorderster Front einsetzen. Sie gehören zu unseren Besten.«
Eblow überlegte, wie er sich und Rachmanow retten konnte. Aber es war alles verloren. Sie würden Henri kriegen, und dann war es eine Frage der Zeit, bis Tschebrikows Verhörspezialisten ihn so weit hatten.
Kusnezow war ein kleiner, hagerer Mann mit Glatze und einem grauen, strichartigen
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