Das Moskau-Spiel
Schnurrbart. Er rümpfte seine angedeutete Hakennase, während er mit heiserer Stimme trocken und knapp seinen Plan vortrug und Tschebrikow mit halb geschlossenen Lidern zuhörte. Seine Hände lagen ruhig auf dem Tisch. »Wir müssen diesen Martenthaler lebend fangen, sonst werden wir die Verschwörung kaum aufdecken können. Wir haben bereits seine Wohnung durchsucht, aber nichts gefunden, das uns weiterbringt.«
»Wird er das merken?«, fragte General Bronski, der fette Leiter der Auswertung mit seinen Froschaugen.
Doch das brachte ihm nur eine lässig hochgezogene Augenbraue ein, was verstand so ein Auswerter schon von Operationen gegen den Feind, wo er doch immer nur einsammelte und begutachtete, was die Genossen an der Front unter Einsatz ihres Lebens erkämpft hatten. »Das spielt keine Rolle, wäre eher günstig, damit er richtig Angst bekommt. Wer Angst hat, macht Fehler.« Kusnezow atmete einmal durch, wie um zu zeigen, dass man ihn vor solchen amateurhaften Fragen verschonen möge. »Wir wissen aber aus einer zuverlässigen Quelle, dass er morgen Abend bereits nach München fliegen soll. Die CIA hat Druck in Pullach gemacht, und der BND spielt erst mal auf Zeit. Ist für die eine peinliche Sache. Der große Bündnispartner wurde getäuscht. Die zehn Millionen Dollar schmerzen ihn weniger als die Tatsache, dass er hereingelegt wurde.« In seiner Stimme lag doch ein wenig Befriedigung. »Wir haben genug Zeit und genug Kräfte, um zu verhindern, dass Martenthaler München erreicht.«
Während Oberst Kusnezow referierte, arbeitete Eblows Hirn wie im Fieber. Er fand zwei Lösungen: Sie durften Henri nicht fangen. Und wenn sie ihn doch kriegten, dann nur als Leiche.
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Henri hatte ein schlechtes Gewissen, als sie zusammen zur Wohnung gingen. Nicht nur, weil er in der Tasche den Flugschein nach München hatte, sondern auch weil er sie als Schutz missbrauchte. Er musste sich nicht umsehen, um zu wissen, dass wenigstens der Lada ihnen folgte. Sie würden ihn nun lückenlos überwachen, keine Sekunde mehr aus den Augen lassen. Natürlich würden sie alle Eingänge des Wohnblocks überwachen und alle Telefone abhören. Sie würden ihn nicht entkommen lassen, das wusste er. Und er musste mit der Vergeltung der Amerikaner rechnen. Ob sie ihn schon in Moskau angriffen? Dafür sprach, dass sie es dann dem KGB in die Schuhe schieben konnten, dagegen, dass sie kaum damit rechnen durften, dass die Tschekisten sie einfach so machen ließen im fremden Revier. Es sei denn, fiel Henri ein, es sei denn, sie taten sich zusammen.
»Du bist aber sehr nachdenklich heute«, sagte sie. Sie hatte sich eingehakt, aber eine Vielrednerin war auch sie nicht. In letzter Zeit hatte es manchmal in ihm rumort, ob er sich vorstellen könne, mit ihr zusammenzubleiben. Dafür sprach einiges, der Sex, ihre entspannte Sicht auf die Dinge, die andere vielleicht dramatisch fänden, ihr vollkommener Mangel an Hysterie und Misstrauen, ihr Verständnis für sein ewiges Schweigen. Aber es waren nur kurze Momente der Schwäche, so erklärte er sich das.
Heute Abend noch würde er ihr sagen müssen, dass sie ihn nach Pullach zurückgerufen hatten. Und morgen würde er gehen. Er nahm sich vor, Towaritsch eine Sonderzuteilung zu genehmigen.
Die uniformierte Frau an der Pforte schaute fast noch mürrischer als sonst. Sie hob kaum den Blick, als Henri und Angela das Haus betraten. Ob sie es schon weiß?, fragte sich Henri. Na und wenn schon. Sie verabredeten sich zum Abendessen in ihrer Wohnung und trennten sich.
Dass etwas faul war, wusste er schon, bevor er die Tür geöffnet hatte. So etwas wie ein Geruch lag in der Luft, ein paar fremde Moleküle. Aber das bildete er sich vielleicht nur ein, weil sein Verstand ihm anzeigte, dass etwas passieren könnte in der Wohnung. Als er die Tür aufgedrückt hatte, brauchte er seine Warnzeichen nicht zu konsultieren, nicht die präparierte Lage des Papierstapels auf seinem kleinen Schreibtisch, nicht das Stückchen Faden in der Schranktür, nicht die Kerbe des Papierkorbs, die zum Tischbein zeigen musste. Es war ein völliges Durcheinander. Sie wollten, dass er es sah.
Sie hatten die Schubladen herausgezogen und ihren Inhalt auf dem Boden verteilt. Sie hatten die Papiere auf seinem Schreibtisch und den kleinen Bücherstapel auf dem Nachttisch weggestoßen, sie hatten sogar in der Stehküche ganze Arbeit geleistet, überall lagen Splitter herum und vermischten sich mit dem Mehl aus einer geplatzten Tüte,
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