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Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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gespannt.«
    Ja, dachte Henri, das ist in diesen Tagen die wich tigste Frage der Welt. Sie rüsten wie bescheuert, die Sowjets stellen Mittelstreckenraketen auf, die USA wol len auch welche in Westeuropa aufstellen, der Präsident in Washington redet vom Krieg, sogenannte Experten fabulieren, ob man einen Atomkrieg vielleicht doch gewinnen könne. Und in Moskau stirbt Breschnew, der die Sowjetarmee in Afghanistan einmarschieren ließ und irrwitzig gerüstet hat, der aber doch, hinfällig, wie er war, diese wandelnde Mumie, berechenbar schien im Guten wie im Schlechten. Bei ihm wusste man meistens, was passierte, wenn man auf dieses oder jenes Knöpfchen drückte. Wie würde das beim Neuen sein? Wer würde der Neue?
    »Was meinen Sie, Herr Martenthaler?«, fragte Angela. Er sah sie an und fragte sich, wie er hier arbeiten und leben könne, ohne immer an sie zu denken. Nach der Trennung von Roswitha hatte er nicht geglaubt, sich bald wieder verlieben zu können. Man fällt auf sie rein, auf die schönen Frauen, und dann kommt das Elend, hatte er seitdem gedacht. Und jetzt bin ich dabei, wieder hereinzufallen. Einfach so, ruck, zuck. Ja, ich sehne mich danach. Aber lass es sein, du wirst genug Scherereien kriegen. Oder? Außerdem, sie wird kaum etwas von dir wollen. Bestimmt hat sie einen Freund oder ist verheiratet. Reiß dich zusammen.
    »Dazu fällt mir nichts Originelles ein«, sagte er. Er zuckte die Achseln. »Jedenfalls nicht mehr als Herrn Kolbe, dem hiesigen Kremlexperten.«
    Gelächter.
    »Tschernenko oder Andropow, wer sonst?« Henri schaute sich um, um nicht nur sie anzusehen.
    »Warten wir, wer Vorsitzender des Beerdigungskomitees wird, dann wissen wir es«, sagte Weihrauch. »Ich glaube, die ziehen die Sache schnell durch. Und wenn Sie mich fragen, Andropow wird’s. Tschernenko sieht ja fast schon aus wie Breschnew im Endstadium.«
    »Das KGB an der Macht«, sagte Angela. »Toll!« Ihre Falten an den Mundwinkeln vertieften sich, als sie lachte. Sie lachte offenbar gern.
    »Die Macht hat die Partei, das Politbüro«, sagte Henri. »Auch über das KGB .«
    »Oh, unser neuer Experte, er wird den Kollegen Kolbe weit übertreffen und bald durch alle Fernseh studios der freien Welt gereicht werden, weil wir ohne seine Analysen nicht auskommen werden.« Angela lachte, während sie es sagte. Aber es war ein Rüffel. Gerade die Nase gezeigt in der Botschaft und schon die große Klappe. Das weiß doch jeder. Henri fühlte sich blöd, es war nicht nötig gewesen. Ab und zu die Schnauze halten.
    Herbst stellte sich neben ihn und sagte: »Der Fahrer hat schon mal Ihr Gepäck in die Wohnung gebracht. Ich hoffe, es ist Ihnen recht.«
    »Vielleicht setzen wir uns einen Augenblick zusammen in meinem Büro«, sagte Gebold. Er stand auf, um Widerspruch auszuschließen. Henri folgte Gebold auf den Gang, dann um die Ecke, wo der Kollege ganz am Ende eine Tür öffnete. Gebold trat ein, Henri hinterher. Das kann ja heiter werden, dachte Henri.
    Gebold deutete auf einen Stuhl vor dem Schreibtisch. Er setzte sich dahinter. Das unvermeidliche Regal mit Aktenordnern, ein paar Bücher, darunter welche über das KGB , auf dem Fensterbrett ein Gummibaum, in der Ecke ein Safe, an der Wand ein Foto vom Roten Platz mit dem Lenin-Mausoleum. Den Feind immer im Auge, grinste Henri innerlich. Er dachte an Angela, dann schob er den Gedanken beiseite, aber nicht weit weg, das klappte nicht.
    Gebold erhob sich wieder und winkte Henri zu sich, dann zeigte sein Finger zum Fenster, nach draußen. »Pressearbeit in Moskau ist ein hartes Brot, um es klar zu sagen«, trompetete er. »Aber jetzt brauch ich erst einmal einen Kaffee.« Er deutete auf die Wände, dann auf sein Ohr, ging hinaus und winkte Henri, ihm zu folgen. Was für ein albernes Theater, dachte Henri. Versteckspiel in der Botschaft. Die beiden fuhren im Aufzug ins Erdgeschoss, dann gingen sie durch die Tür an der Rückseite der Botschaft. »Hier kann man reden«,sagte Gebold. Er schaute sich um, als wären hundert Richtmikrofone auf den ummauerten Hof der Botschaft gerichtet. Dann zündete er sich eine Zigarette an. »Im abhörsicheren Raum ist es so stickig.« Er zog an der Zigarette, die Glut leuchtete rot auf. »Drinnen nicht mal eine Andeutung über unseren richtigen Job hier. Damit das klar ist.«
    Henri ersparte sich eine Antwort. Er war zwar neu in Moskau, aber blöd war er nicht. Er war kein BND – Frischling, Geheimhaltung ist alles, wenn nicht in Moskau, wo dann? Im

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