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Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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setzte sich neben Angela Morgenstern, die, wie es Henri schien, ein wenig von ihm abrückte.
    Der letzte Geladene war Gebold. Korpulent, fast fettleibig, ein schwarzer Haarring, Schweiß auf der Stirn, schwerer Atem, Mausaugen über einer breiten Nase. Ein Schnauzer, schmal wie ein Strich. Er reichte Henri eine feuchte Hand, schaute teilnahmslos auf seinen neuen Kollegen, als wüsste er felsenfest, dass sie nichts miteinander zu tun hätten. Dichte schwarze Haare kräuselten aus dem Hemdsärmel.
    »So, mehr kommen heute nicht. Herr Herbst, wenn ich Sie bitten darf«, befahl Weihrauch.
    Herbst verschwand aus dem Zimmer und kehrte mit einem Tablett zurück, darauf eine Flasche Krimsekt und Gläser. Geschickt öffnete Herbst die Flasche und goss ein, das verriet Routine. Alle standen nun wieder.
    »Wir arbeiten viel«, sagte Weihrauch, »da dürfen wir auch mal feiern. Zumal wenn ein neuer Kollege kommt. Herzlich willkommen!«
    Er stieß als Erster mit Henri an, dann Herbst, Angela Morgenstern, an deren Mundwinkeln Henri zwei reizende kleine Falten entdeckte, schließlich Gebold. Der grinste und murmelte etwas, das Henri nicht richtig verstand. Vielleicht: »Auf gute Zusammenarbeit.«
    Nach dem Anstoßen trank keiner, stattdessen richteten sich alle Augen auf Henri. Der sah die Erwartung in Angelas Augen, sie machte ihn wirklich nervös. Er räusperte sich. Ein großer Redner war er nie gewesen.
    »Ich freue mich, dass ich nun hier bin, und werde natürlich versuchen, ein guter Kollege zu sein. Vielleicht, es wäre schön, haben Sie ein bisschen Geduld mit einem Neuen. Ich kenne mich hier nun gar nicht aus und werde viele Fragen haben.« Er warf einen Blick zu Angela, sie lächelte. Fast ein wenig verschmitzt, dachte Henri. »So ein Vorbereitungskurs ist ganz nett, aber die Wirklichkeit ist etwas anderes.« Er musste sie flüchtig anschauen, ihre Blicke trafen sich, dann hob er sein Glas, die anderen taten es ihm nach, er trank und war erlöst, weil er glaubte, die ersten Minuten seiner Einführung ohne Blamage überstanden zu haben, wenn er auch langweiliges Zeug gelabert hatte. Es war ihm warm geworden und er hoffte, nicht zu schwitzen. Du bist mir ein toller Spion, der bei so einer läppischen Veranstaltung weiche Knie kriegt.
    »Wo waren Sie denn, bevor Sie zu uns kamen?«, fragte Angela, nachdem sich alle gesetzt hatten.
    »Ich war bei Martha Chemie in Bergisch Gladbach, Presseabteilung, dann habe ich mich beim Auswärtigen Amt beworben und bin seltsamerweise genommen worden. Wahrscheinlich war gerade ein Engpass bei Presseleuten.«
    Gelächter.
    Er fand, er habe diesen Teil seiner Legende passabel erzählt. In Wahrheit hatte er sich in Hauptstädten Westeuropas nach oben gedient. »Und jetzt, nach dem tollen Vorbereitungskurs, bin ich absolut fit, um alle diplomatischen Verwicklungen wegzudiskutieren.« Wenn die wüssten, was für einen Vorbereitungslehrgang er absolviert hatte. Techniken der Spionage: Nachrichtenübermittlung, Verfolgen und Abschütteln von Verfolgern, Methoden des KGB , Verhalten bei Verhaftung.
    Wieder Gelächter.
    Angela schaute ihn neugierig an. Er musste sich zusammenreißen, sie nicht anzustarren.
    »So jung und schon ein Welterklärer!«, rief Weihrauch fröhlich.
    »Wenn man älter wird, ist man nicht mehr so leichtsinnig, alles zu wissen«, lachte Henri. »Die Zeit bis dahin will ich aber nutzen.«
    Weihrauch grinste. »Ich glaube, Sie werden sich in unserem Haufen gut zurechtfinden. Wir haben eigentlich alle eine Meise. Jeder eine eigene.«
    »Und Ihre?« Gleich bereute Henri seine Voreiligkeit.
    »Mich natürlich ausgenommen«, sagte Weihrauch. »Was haben Sie denn gedacht?«
    Gedacht habe ich, dass diese Leute offenbar in Ordnung sind, so auf den ersten Blick. Bei Herbst war er sich nicht sicher. Bei Angela fürchtete er, sie würde seine Selbstbeherrschung testen, sogar wenn sie es nicht beabsichtigte. Weihrauch schien nichts an sich heranzulassen, richtig cool, der Typ. Nur Gebold, stimmt, der saß auf dem Sessel in der Ecke, lachte mit, wenn auch verhalten, sagte kaum etwas und spielte jetzt mit Streichhölzern. Vielleicht ein Raucher in Not. Ein finsterer Geselle, unsympathisch und überhaupt nicht darauf geeicht, diesen Eindruck zu verwischen. Er wollte so sein. Warum?
    »Dann gedenken wir jetzt des Genossen Breschnew, auf dass er in den Himmel einzieht mit Fanfaren und Schalmeien!«, sagte Weihrauch, aber er sagte es nicht fröhlich. »Bin gespannt, was nun kommt. Bin wirklich

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