Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
Vom Netzwerk:
Vorbereitungslehrgang hatten sie ihm das wieder und wieder eingebimst, bis er fragte, ob sie ihn für einen Spionagelehrling oder geistig minderbemittelt hielten. Er fluchte innerlich, dass Gebold ihm nicht gesagt hatte, dass sie nach draußen gehen würden. Die Kälte kroch ihm unter die Haut, während sie Gebold nichts auszumachen schien. Henri versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass er fror.
    »Gut, dass Verstärkung gekommen ist«, sagte Gebold. »Ich werde Sie in die Lage einweisen, und dann überlegen wir, wie wir Sie am besten einsetzen können.«
    Henri war versucht, dem Mann zu erklären, dass er künftig nichts weiter war als ein Geheimdienstdummy, bestenfalls dazu geeignet, der Zweiten Hauptverwaltung vorzugaukeln, er sei der großartige Resident und Agentenführer aus Westdeutschland. Doch dann sagte er sich: Lass ihn machen, du erfährst etwas, und wenn der den Superspion raushängen lässt, na, dann soll er es eben tun. Bald bist du ihn los. Wenn es vorher unangenehm wird, sagst du ihm, wo der Hammer hängt.
    »Die Lage ist beschissen, um es klar zu sagen. Wir haben Gesprächskontakte, aber keine Agenten. Ich bearbeite seit Jahr und Tag einen Wissenschaftler, der in der Luftfahrtindustrie arbeitet, die MiGs, sie wissen Bescheid, aber bisher ist nichts dabei herausgekommen. Dann prüfe ich hin und wieder Selbstanbieter. Zuletzt einen Major des KGB , Erste Hauptverwaltung. Der will erst Geld, dann rückt er was raus. Sagt er. Was auch im mer. Oder nichts. Also, so ist es, um es klar zu sagen.«
    Das schien seine Lieblingsfloskel zu sein: um es klar zu sagen.
    »Das Beste ist, Sie machen hier erst einmal Bürodienst, reden mit der Journaille, sofern man die Genossen von Prawda und Iswestija so nennen kann, vergessen Sie die Westkorrespondenten nicht, gehen Sie mal in den Presseklub, lernen Sie die Kollegen aus anderen Botschaften kennen. Wir kommen hier ganz gut klar mit den Amis, den Engländern und den Franzosen, auch den Italienern, was nicht heißt, dass die uns mehr erzählen als wir ihnen. Um es klar zu sagen.«
    Er schaute Henri scharf an aus seinen Knopfaugen, und Henri war wieder versucht, dem Mann zu stecken, dass er ihm nichts zu befehlen hatte. Aber warte ab, dachte er. Lass ihm seine Illusion, umso besser für deine Legende. Ich bin eben nur der zweite Stellvertreter des Presseattachés und er ist der erste, der Dienstältere. Und der Typ meint, in Sachen BND sei das genauso. Soll es doch so sein. Aber hat ihm niemand gesagt, dass er auf dem absteigenden Ast sitzt und Henri auf dem aufsteigenden?
    »Gehen wir zurück. Ich zeige Ihnen Ihr Büro«, sagte Gebold und marschierte los wie beim Sturmangriff. An Henris Meinung war er nicht interessiert, und dass der neue Kollege vielleicht Fragen hatte, kratzte ihn genauso wenig.
    Henri blieb stehen. »Sind wir die Einzigen vom Verein?«, fragte er. Natürlich kannte er die Antwort auf diese Frage, aber er liebte es manchmal, sich dumm zu stellen. Wer das tut, wird unterschätzt und erfährt mehr.
    Gebold schaute ihn an, wiegte den Kopf, als müsste er überlegen, ob Henri würdig war, so etwas zu erfahren. »Nein, da gibt es noch jemanden.«
    Seltsam, dass Gebold nicht zu wissen schien, dass Henri fragte, was er schon wusste. Oder er ließ es sich nicht anmerken, doch das traute Henri dem Mann nicht zu. Offenbar herrschte Chaos in Pullach, oder die wollten Gebold im Ungewissen lassen, weil sie wussten, dass er mit seiner Ablösung nicht würde umgehen können. Gebold würde ohne jeden Erfolg nach Hause rei sen müssen, vermutlich machte ihn das fertig. Jedenfalls war es kein Anschub für eine Beförderung. Das wird es sein, dachte Henri. Die wollen, dass Gebold nicht so tut, als wäre er weiterhin der BND – Resident in Moskau, son dern dass er es wirklich glaubt. Aber warum hat Ha mann mir das verschwiegen? Wollte er sehen, wie ich mit so einer Lage klarkam? Ach Quatsch, Spielkram im Feindesland, das gab es nicht. Henri überlegte, dann wurde ihm klar, dass Gebold wohl noch genau so lange den Residenten spielen durfte, bis Henri aus dem Visier des KGB verschwinden würde. Und dann würde Pullach oder Bonn einen Ersatz schicken für den stellvertreten den Pressechef Gebold, aber nicht für den Residenten. Nur, wenn ich das durchschaue, müssen das dann nicht auch die Genossen erkennen? Nicht unbedingt, beantwortete er sich die Frage, die haben nicht meine Informationen, sie können sich die Dinge nur zusammenreimen. Es sei denn, es sitzt ein

Weitere Kostenlose Bücher