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Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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allem, die wussten, was sie zu tun hatten. Niemals ein beschriftetes Blatt Papier herumliegen lassen, nie etwas Verfängliches in den Papierkorb werfen, dessen Inhalt die fleißigen Wächterinnen der Sowjetmacht jedes Mal gründlich untersuchten, wenn sie kamen.
    Er sah sich um. Wenn der Gestank heraus war, konnte das Büro ganz nett sein. Gestrichen oder frisch tapeziert, ein neuer Teppich, ein Bild an der Wand, vielleicht sogar Blumen, wenn er die irgendwo auftreiben konnte. Er stellte sich ans Fenster und schaute hinaus. Es war die Rückseite der Botschaft. Ein Schuppen, Garagen, ein Parkplatz mit Autos aus westlicher Produktion. Ein paar Fichten. Schnee, wo vielleicht im Sommer ein Rasen grünte.
    An der Schuppentür kauerte eine grau getigerte Katze, fast so klein wie eine Ratte. Sie sah zerrupft aus und bewegte sich nicht.
    Henri schaute eine Weile hinunter in die Kälte, dann ging er den Gang nach links, wo er bald die Küche fand. Er öffnete den Kühlschrank, nahm eine Milchflasche heraus und suchte einen Behälter. Er entdeckte einen Topf, schüttete Milch hinein, stellte den Topf auf eine Herdplatte, schaltete sie ein und prüfte hin und wieder mit dem Finger, ob die Milch die richtige Temperatur hatte. Als er zufrieden war, nahm er mangels eines geeigneten Gefäßes eine Tasse, goss die Milch hinein, stellte den Topf in die Spüle und fuhr im Aufzug ins Erdgeschoss.
    Die Frau hinterm Tresen schaute ihn neugierig an.
    Draußen traf ihn die Kälte brutal, sie biss ihm in die Augen, die sofort zu tränen begannen. Er fluchte, dass er sich wieder den Mantel nicht angezogen hatte. Die Katze saß immer noch da. Sie streckte sich, als sie ihn sah, dann wich sie langsam zurück, behielt ihn aber im Auge. Er näherte sich in vorsichtigen Schritten,sagte: »Ist ja gut, Towaritsch. Ich bin ein guter Deutscher. Nix Faschist.« Doch die Katze traute ihm nicht, behielt den Sicherheitsabstand bei. Er stellte die Tasse dorthin, wo die Katze gesessen hatte, und ging behutsam zurück zum Botschaftsgebäude. Als er die Fassade hochschaute, sah er Angela, sie beobachtete die Szenerie und grinste. Er blieb an der Hintertür stehen und verfolgte, wie die Katze sich an die Tasse heranschlich, schnupperte und gierig zu schlecken begann.
    Er ging zurück in sein Büro, dann verließ er es wieder und klopfte an die Nachbartür.
    »Herein«, rief sie.
    Er öffnete und steckte seinen Kopf in die Tür. »Haben Sie eine Ahnung, wo ich hier wohne?«
    Sie öffnete eine Schublade, holte einen Schlüssel heraus und klimperte mit ihm. »Ich bring Sie nachher zu Ihrem Luxusappartement. Ich wohne im selben Haus, wie die meisten hier. Ist ein kurzer Spaziergang. Sagen wir, gegen sechs?«
    Er nickte. »Prima.«
    »Und nicht dass Sie dieses verlauste Viech hier einschmuggeln. Das kommt direkt vom KGB und ist vollgestopft mit Mikrofonen und Kameras. Man nennt das auch die Katzenfalle. Dann gibt es noch die Hundefalle und die Frauenfalle, auch Honigfalle genannt. Mit der Katze fängt es immer an.«
    »Schön, wenn man eine Steigerung erwarten darf.«
    »Und wie haben Sie Ihren neuen Freund getauft?«
    »Towaritsch«, sagte Henri.
    »Genosse, das passt. Welcher Dienstgrad?«
    »Leutnant, er hat seine Karriere noch vor sich.«
    › ‹
    Major Kasimir Jewgonowitsch Eblow schüttelte den Kopf. Er hatte diesen Mann im Hof der westdeutschen Botschaft beobachtet, wie er der Katze eine Tasse Milchvorsetzte. Der Typ war ohne Mantel ins Freie gegangen. Wie beim ersten Mal, als der andere Beobachtungsposten ihn entdeckt hatte zusammen mit diesem schwachköpfigen BND – Residenten, als Eblow gerade seine Inspektion dort machte. Manche Leute sind einfach zu sentimental, zu weich für diese Welt. Er überlegte, wie man Überwachungstechnik in ein Katzenmodell einbauen könnte, und musste kurz grinsen. So abwegig war es auch wieder nicht. Ihr Kampf lebte von der Fantasie, den immer neuen Formen der Täuschung und der Entlarvung.
    Er schaute wieder durch das starke Fernglas auf dem Stativ, das ihnen half, die Rückseite der Botschaft zu beobachten. Tag und Nacht saßen Genossen in dieser Wohnung in dem großen Plattenbau, von wo sich ihnen die BRD – Botschaft wie auf einem Präsentierteller darbot. Im eigentlichen Wohnzimmer des konspirativnaya kvartira standen nur ein Tisch und zwei Stühle und natürlich auf Stativen das Fernglas und die Kamera aus Japan mit dem starken Teleobjektiv. Auf dem Tisch ein Aschenbecher und ein paar Flaschen mit irgendeinem Saft,

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