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Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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das ist?«
    »Ein Fluss, ein Strafarbeitslager.«
    »Dort wird Gold … ausgegraben … geschürft. Die Menschen krepieren in der Kälte.« Ihre Hand zitterte.
    »Warum ist Ihr Bruder dort?«
    »Er hat etwas gestohlen, sagte das Gericht. Aber das stimmt nicht. Irgendwer hat es ihm untergeschoben. Er soll zu einer … Bande gehören. Schmuggel, Einbrüche …«
    »Aber wie kann ich ihm helfen?«
    Ihre Hand war eiskalt, als sie seine berührte. Sie nahm seine Hand zwischen ihre Hände. Sie zitterte. »Ich habe solche Angst, dass er umkommt. Fünfzehn Jahre, das hält er nicht durch.«
    Henri fror erbärmlich. »Was kann ich tun?«, wiederholte er ungeduldig.
    »Gehen Sie mit mir aus. Bitte!«
    Henri starrte sie an. In ihren Augen standen Tränen. Sie war jetzt nicht mehr die schöne Frau, sondern ein Mädchen voller Furcht, das sich ganz Henris Mitleid überließ.
    »Können wir nicht woanders hingehen?«
    »Ja, zu mir«, sagte sie.
    »Nein, das geht nicht.«
    »Warum geht es nicht? Da ist es warm.«
    »Es geht nicht«, sagte Henri. Sein Blick fand denMercedes, mit dem er mit Gebold gekommen war. Aber der hatte den Wagenschlüssel.
    »Es muss doch hier im Gewerkschaftshaus einen Raum geben, wo man sich unterhalten kann?«
    »Ja, komm! Sie werden uns schon nicht erwischen. Und wenn, dann …«
    Sie zog ihn um das riesige Gebäude herum, das Pflaster war glatt, fast wären sie gestürzt. Sie ging zu einem von einem blattlosen Busch verdeckten Nebeneingang, zog die Tür auf – »Welch Glück, dass die offen ist!« – und führte ihn hinein. Sie betraten einen schmalen Gang, in dem es nach Zigarettenqualm stank, aber es war viel wärmer als draußen. Doch steckte die Kälte Henri schon in den Knochen. »Komm!«, sagte sie. Am Ende des Gangs war eine braune Tür, auch sie war geöffnet. Sie führte in eine Art Büro.
    Woher kennt sie sich so gut aus?
    »Ich habe hier mal gearbeitet, als Sekretärin bei einem Gewerkschaftsfunktionär.« Als hätte sie seine Frage gehört.
    Sie schloss die Tür und blieb dicht vor ihm stehen. Er wusste, dass er sie jetzt einfach nehmen könnte, nie hatte er mit einer schöneren Frau geschlafen. Sie war wirklich eine Versuchung. Er schaute sich um, ob er die Kameras entdecken könnte, aber natürlich sah er keine.
    Sie drängte sich an ihn, umfasste ihn mit ihren Armen. Er schob sie ein Stück von sich weg und setzte sich auf die Kante der Schreibtischplatte. »Was ist mit deinem Bruder?«
    »Ich kann ihn freibekommen.«
    »Und wie? Und was kann ich tun?«
    »Sie haben gesagt, wenn du dich auf mich einlässt, wenn ich das schaffe, dann …«
    »Und ich soll dir möglichst auch noch ein paar Geheimnisse verraten. Aber wenn ich keine kenne? Ich bin nur ein kleiner Pressefritze … deine Leute haben sich geirrt.«
    »Was ist … Pressefritze?« Das Schluss-E klang wie ein Ä.
    »Ich muss die Kontakte zur hiesigen Presse pflegen, Zeitungen, Radio, Fernsehen, und westdeutschen Journalisten helfen, wenn sie in Moskau Kontakte zu Regierungsstellen und so weiter brauchen. In dieser Funktion erfährt man keine Geheimnisse. Ganz bestimmt nicht. Sie, das ist der Geheimdienst, das KGB , oder?«
    Sie zögerte, dann nickte sie.
    »Also, wenn du mich bespitzelst, kommt dein Bruder frei?«
    Sie nickte wieder.
    »Aber was ist, wenn ich mich nach den Gesetzen meines Landes strafbar mache?«
    »Ist eine … Beziehung mit einer Russin verboten?«
    »Nein, nur eine Beziehung mit einer sowjetischen Spionin. Ich darf und möchte nichts mit Spionage zu tun haben. Weder mit dem KGB noch mit unseren Geheimdiensten.« Er stand auf. »Ich hoffe, es ist dir nicht zu kalt gewesen. Du hast wirklich alles versucht, aber ich bin der Falsche. Such dir einen, der Geheimnisse kennt.«
    Eine Träne rann ihr aus dem Auge. »Wie heißt du?«
    »Henri.« Fast hätte er hinzugefügt: Aber das weißt du doch. Sie spielte ihre Rolle perfekt. »Ich muss jetzt zurück zum Empfang.« Er verließ eiligen Schritts den Raum. Sie starrte ihm nach und setzte sich dann hinter den Schreibtisch.
    »Wo waren Sie denn?« Gebold drängte sich durch die Flanellanzugträger in Richtung Eingang, wo er Henri entdeckt hatte. »Ich muss Sie noch jemandem vorstellen«, sagte er. Er hatte schwarze Flecken unter den Ärmeln. »Kommen Sie!« Er ging voraus, und Henri mühte sich, ihm zu folgen. Gebold blieb bei einer Gesprächsgruppe stehen, drei Männer, offenbar Russen. Gebold wartete ungeduldig, bis endlich einer der drei, ein schlanker, gut aussehender

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