Das Moskau-Spiel
Jackett auszog, hörte er ein Knistern. Er griff in die Taschen und fand schließlich einen Umschlag aus billigem grauem Papier. Er rissden Umschlag auf, darin war ein Blatt. Er zog es vorsichtig heraus und sah etwas in Blockbuchstaben Geschriebenes:
GEBEN SIE DIESE NACHRICHT DER ZUSTÄNDIGEN PERSON . ICH HABE WICHTIGE INFORMATIONEN FÜR IHNEN . SIE SIND SEHR WERTVOLL : ICH ARBEI TEN IN EINER GEHEIMEN REGIERUNGSEINRICH TUNG UND WILL DIE UDSSR VERLASSEN . WENN SIE MICH HELFEN , KANN ICH IHNEN WERTVOLL DINGE BERICHTEN . WENN SIE INTERESSIERT SIND , WARTEN SIE AM EINGANG DER GUM , DAS DEM LENIN - MAUSOLEUMAM NÄCHSTEN LIEGT . MORGEN 15 UHR .
Henri schmunzelte kurz, dann überlegte er fieberhaft, wer ihm diese holprige Botschaft zugesteckt haben mochte und was er damit tun sollte. Nach den Erfahrungen dieses Abends spielte er mit dem Gedanken, den Brief im Klo hinunterzuspülen. Doch dann las er ihn noch einmal und überlegte, ob nicht vielleicht doch etwas dahintersteckte.
War es Irina? War es Rachmanow? Beide hätten ihm die Botschaft leicht zustecken können. Oder war es jemand anderes im Gedränge gewesen?
Was sollte er tun?
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V.
Craig Mavick genoss den Abend. Er hatte seine kleine Wohnung auf dem Gelände der US – Botschaft in der Uliza Tschaikowskowo bezogen. Hier würde er es so lange aushalten, bis er versetzt wurde. Er hatte auch schon seine Kollegen kennengelernt und den Eindruck gewonnen, dass Langley nicht die Schlechtesten nach Moskau schickte, was Mavick schmeichelte. Es war eine Art Anerkennung und Zutrauen in seine Fähigkeiten, mit Lob und Auszeichnungen hatte man es derzeit nicht so bei der CIA .
Was er den Kollegen im schallsicheren Raum nicht gesagt hatte, war, dass er den Auftrag hatte, nach dem Maulwurf zu suchen, der in der Botschaft sitzen musste und dessen Wirken die Agency eine Niederlagenserie verdankte, wie es sie nie zuvor gegeben hatte. Mavick wusste, dass seine Laufbahn davon abhing, ob er das Schwein stellen konnte oder nicht. Er war nicht angewiesen auf das Gehalt aus Langley und hätte sich jederzeit in die Langeweile des reichen Erben, in die mondänsten Badeorte der Welt zurückziehen können. Aber die Tatsache, dass er die Arbeit nicht nötig hatte, schien seinen beruflichen Ehrgeiz nur zu steigern. Er würde den Verräter kriegen. Ganz bestimmt. Dann kam ihm der Gedanke, wie es wäre, das Schwein einfach abzustechen. In Notwehr. Die Vorstellung gefiel ihm.
Er trank einen großen Schluck Whisky.
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Die Urne im Regal der Moskauer Gerichtsmedizin sah aus wie eine überdimensionierte Teedose. Theo schaute Frau Kustowa an, dann die Urne mit Scheffers Asche, wieder Frau Kustowa, wieder die Urne. Die Ärztin war blass, ihre Augen wanderten von der Urne zum Fußboden vor Theos Füßen und zurück.
»Können Sie mir verraten, wie ich die Leiche identifizieren soll? Deswegen bin ich hier.«
Sie sah so aus, als wollte sie am liebsten aus ihrer Haut flüchten. Frau Kustowa schaute ihn nur kurz an aus ihren dunklen Augen durch die Stahlrandbrille, die ihr Gesicht beherrschte.
Was steckt dahinter? Sie haben die Leiche verbrannt, um alle Spuren zu zerstören. Was sonst? Theos Hirn raste. Was sollte er tun? Er durfte jetzt keinen Fehler machen.
»Wer hat die Verbrennung angeordnet?«, fragte Theo.
»Die Staatsanwaltschaft. Sie hat die Leiche freigegeben und erklärt, Sie … also … die zuständigen deutschen Behörden hätten es gewünscht. Aus Transportgründen …«
»Sie haben den Leichnam gesehen?«
Sie nickte fast ängstlich. »Ja.«
Warum setzten Mostewoj und der Professor diese junge Frau dieser Lage aus? Theo zweifelte nicht, dass der Oberst genau wusste, was geschehen war.
»Darf ich die Anordnung sehen?«
Sie zögerte. »Welche Anordnung?« Hätte sie nicht ein nur leicht verhärtetes R gesprochen, er hätte sie für eine Deutsche halten können.
»Die für die Verbrennung.«
Sie schüttelte langsam den Kopf, überlegte und flüsterte fast: »Die habe ich nicht.«
»Haben Sie sie gesehen?«
Sie schüttelte wieder den Kopf, diesmal entschlossener.
»Haben Sie die Leiche obduziert?«
Sie nickte. »Ich habe dem Professor assistiert.«
»Gibt es einen Befund?«
Sie nickte wieder. »Natürlich.« Fast erleichtert, dass er eine Frage gestellt hatte, die sie wahrheitsgemäß beantworten konnte.
»Darf ich den sehen?«
»Natürlich. Ich habe hier« – sie zeigte auf den Schreibtisch – »eine Kopie für Sie. Ich bin gerne bereit, Ihnen den
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