Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
Vom Netzwerk:
Vielleicht Andropow. Das ist ein außerordentlich kluger Mann. Wie Sie wissen, hat er bis vor Kurzem das KGB geleitet. Vielleicht gelingt ihm ein Schachzug, der die Fronten aufbricht. Aber ich fürchte, wir können da versuchen, was wir wollen. Die Amerikaner wollen Krieg.«
    »Das glauben Sie doch selbst nicht.«
    Rachmanow trat einen Schritt auf ihn zu, lachte demonstrativ, hielt seinen Mund nahe an Henris Ohr und flüsterte: »Wenn man ein Land in der Krise in die Enge treibt, dann provoziert man damit womöglich Reaktionen, die man nicht gewollt hat. Vor allem wenn dieses Krisenland Atomraketen besitzt und glaubt, losschlagen zu müssen, um nicht als einziges vernichtet zu werden. Man sollte Verzweifelte nicht noch verzweifelter machen, solange die sich wehren können, und sei es um den Preis des eigenen Untergangs. Uns steht das Wasser bis zum Hals. Und wahrscheinlich noch ein bisschen höher.« Er lachte wieder laut, während er allmählich ein Stück zurücktrat. »Das war doch ein guter Witz, oder?«
    Henri fühlte sich durch einen inneren Zwang veranlasst zu lachen. Er hatte begriffen, dass dieser Rachmanow ein gefährliches Spiel spielte. Oder ein Provokateur war. Aber warum hat er sich mich ausgesucht? Er kennt mich doch gar nicht. Macht er das mit jedem Westler? Oder soll er mich testen?
    Gebold tauchte kauend auf. »Was halten Sie davon, wenn wir die Zelte abbrechen? Sie müssen todmüde sein.«
    Henri nickte. Er hatte Rachmanows Satz noch im Ohr.
    Uns steht das Wasser bis zum Hals.
    Er verabschiedete sich von Rachmanow, der sich bald in der Botschaft melden wollte. »Mit Ihrem Kollegen Gebold klappt die Zusammenarbeit sehr gut. Wir beide werden das auch hinkriegen.«
    »Bestimmt.«
    Sie gingen zum Wagen und stiegen ein. Im Auto war es warm, die Standheizung war rechtzeitig angesprungen. Gebold streckte sich hinter dem Lenkrad. Henri fragte sich, ob der Mann nicht zu viel getrunken hatte im Vertrauen darauf, dass das CD – Schild am Heck ihn vor Milizkontrollen bewahrte. Gebold startete den Wagen nicht, sondern lehnte sich zu Henri hinüber. Die Alkoholfahne füllte den Wagen.
    »Hat er das mit dem unter Wasser auch bei Ihnen versucht?« Gebold grinste.
    »Natürlich«, sagte Henri. Und dachte: So unrecht hat Rachmanow doch nicht. Die Zweifel beschäftigten Henri schon eine Weile. Mit dem neuen US – Präsidenten drohten die Dinge aus dem Ruder zu laufen. Totrüsten. Atomkriege führbar machen, wie es Berater im Weißen Haus einflüsterten. Die irrwitzige Aufrüstung. Gerüchte über eine Raketenabwehr im Weltraum, die den Zweitschlag abfangen sollte. Das musste schiefgehen. Es sei denn, es kam einer, der den gordischen Knoten durchschlug und das Wahnsinnssystem zerstörte.
    Aber wie sollte das gehen?
    »Das Mädel war gar nicht schlecht, oder?« Geboldlächelte genießerisch. »Die geben sich wirklich alle Mühe. Sie waren mit ihr verschwunden, machen Sie mir nichts vor.«
    Henri winkte ab. Ihn widerte dieser Typ an.
    »Die Julia-Masche, die Honigfalle«, sagte Gebold und schnalzte mit der Zunge. »Bei der hätte ich schwach werden können. Wo waren Sie denn mit der Genossin?«
    »Nirgendwo«, sagte Henri.
    »Sie missverstehen mich«, sagte Gebold. »Ich möchte es wissen. Das ist dienstlich.«
    Draußen fielen schwere Schneeflocken.
    Henri wandte sich ihm zu: »Ich habe mich nicht auf sie eingelassen. Was glauben Sie eigentlich, was wir im Vorbereitungslehrgang behandelt haben. Halten Sie mich nicht für blöd. Und um das Dienstliche abzuschließen: Mir ist nicht bekannt, dass Sie mein Vorgesetzter sind. Und wenn Sie es wären, dann könnten Sie mir … im Mondschein begegnen. Von Besoffenen nehme ich keine Anweisungen entgegen, selbst wenn es der Präsident höchstpersönlich wäre. Ich hoffe, Sie haben mich verstanden. Oder soll ich noch deutlicher werden?« Den letzten Satz bereute Henri sofort.
    Aber er wirkte. »Ist ja gut«, sagte Gebold. Die Flasche kapitulierte schon beim Warnschuss.
    »Gar nichts ist gut«, sagte Henri. »Ihr Job ist es, mich hier einzuführen. Sie sollen mich unterstützen, bevor Sie den Abgang machen und in Pullach den Sesselfurzer geben. Zu Hause können Sie dann mit Ihren Triumphen in Moskau prahlen.«
    Gebold schnaufte einmal durch, sagte aber kein Wort und startete den Wagen. Er schwieg während der gesamten Fahrt. Er setzte Henri vor seiner Wohnung ab, hob kurz die Hand und fuhr weiter.
    In der Wohnung hängte Henri seinen Mantel an einen Garderobenhaken. Als er sein

Weitere Kostenlose Bücher