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Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Obduktionsbericht zu erläutern.« Sie schaute ihm in die Augen und schlug dann ihre nieder. Fast kam es ihm vor, als würde sie sich winden. Die Sache stank zum Himmel.
    Sie ging zum Schreibtisch, nahm eine blaugraue Mappe von einem Stapel mit anderen Ordnern, schlug die Mappe auf und stellte sich neben ihn. Sie ging ihm bis zum Kinn.
    Der Text war auf Russisch.
    »Mein Russisch ist leider zu schlecht, um das wirklich zu verstehen.«
    »Kein Problem. Wenn ich zusammenfassen darf. Uns wurde ein männlicher Leichnam angeliefert, der laut den beigefügten Personalunterlagen der deutsche Staatsbürger Georg Scheffer ist … die Angaben zu Wohnung, Beruf und Aufenthaltsstatus lasse ich weg, wenn Sie einverstanden sind …«
    »Eine kurze Zusammenfassung würde genügen.« Die Experten in der Botschaft und beim BKA würden sich sowieso intensiv mit dem Bericht beschäftigen.
    »Also gut, ganz kurz: Herr Scheffer wurde von einem Auto überfahren. Er hatte gebrochene Oberschenkel und Rippen, sein Tod aber wurde durch Genickbruch verursacht. Er hat von dem Unfall nicht viel mitbekommen, der Schock dürfte ihn gelähmt haben, und bevor der Schmerz kam, war er tot. Es war eine Sache von Sekunden.«
    »Passen die Verletzungen zu dem Unfall, für den es ja Zeugen geben soll?«
    »Ich kenne die Ermittlungsakten nicht. Wir sind die Gerichtsmedizin, nicht die Miliz.«
    Unter dem Papier in der Akte erkannte Theo Ränder von Fotos. »Darf ich die Fotografien sehen?«
    »Natürlich, die werden wir Ihnen überlassen.« Sie reichte ihm vier Bilder.
    Sie zeigten einen alten kleinen wabbligen Mann mit viel zu langen Armen auf einem stählernen Obduktionstisch, die Haut zu weiß – oder lag es am Blitzlicht? –, mit verzerrtem rundem Gesicht, übersät mit blauen und dunkelroten Flecken, der Brustkorb unterlegt mit einem einzigen großen rot-blau-schwarzen Bluterguss. Dann erkannte Theo, dass die Beine unterhalb der Oberschenkel leicht nach außen abgespreizt waren. Theo versuchte zu verhindern, dass er würgte. Sie zeigte ihm diese Bilder vielleicht, um ihn zu schocken, denn einer, der geschockt ist, fragt vielleicht nicht weiter.
    Frau Kustowa schaute ihn aus den Augenwinkeln an, und er glaubte, Mitleid erkennen zu können.
    »Schreckliche Fotos«, sagte sie leise. Dann ein langer Blick in seine Augen. »Es tut mir sehr leid.« Sie hat mir gesagt, fiel ihm auf.
    Da passte etwas nicht zusammen. Sie schien ehrlich zu sein oder sich zumindest darum zu bemühen. Aber sie zeigte ihm diese Bilder und den Bericht gewiss nicht ohne Genehmigung oder Weisung ihrer Vorgesetzten. Die aber ließen diese junge Frau im Regen stehen. Und sie hatten veranlasst, dass die Leiche verbrannt wurde. Theo zweifelte nicht, dass sich die Behauptung, da habe es einen Wunsch deutscher Behörden gegeben, als Lüge herausstellen würde. Oder als Irrtum? Nein, in diesen Dingen gab es keine Irrtümer, da wurde auf allen Seiten mit Netz gearbeitet.
    »Sie sind sicher, dass diese Bilder die Leiche so zeigen, wie Sie sie gesehen haben?«
    »Natürlich.« Sie schaute ihn ein wenig länger an.
    Aber dann schaute sie weg und schwieg. Und sie war gar nicht empört angesichts der Unterstellung.
    Er betrachtete sie. Wenn man den weißen Kittel und die Brille wegdachte, war sie hübsch, ein bisschen streng vielleicht. Ihr Gesicht war etwas gerötet, das hatte sie nicht im Griff. Aber sonst war sie die Selbstbeherrschung in Person. Theo ahnte, dass sie Schwierigkeiten bekommen würde, wenn dieses Gespräch schiefginge. Diese Schweine hatten diese Frau in eine Scheißlage gebracht. Und sie hatten es getan, um ihr den Schwarzen Peter zuzuschieben, wenn die Sache in die Hose ging.
    Bedauerlicherweise waren der Herr Professor krank und der Herr Oberst verhindert. Wir hatten geglaubt, dass Frau Dr. Kustowa dieser Aufgabe gewachsen sei, und sie eingehend instruiert, Ihnen die Wahrheit zu sagen. Wir wissen leider nicht, was in Frau Kustowa gefahren ist, dass sie Ihnen solche Märchen aufgetischt hat. So oder so ähnlich würden sie reden. Es klang nach Sowjetzeit. Das ganze Verwirrspiel um Scheffers Tod roch nach Sowjetunion.
    Sein Hirn arbeitete schnell, wie immer, wenn es eng wurde. In Stresssituationen bleibt er ruhig, das hatte in seiner letzten Beurteilung gestanden. Aber das war eine Beurteilung, und dies war die Moskauer Gerichtsmedizin mit einer Ärztin, die ihn aufs Glatteis führen sollte.
    Er holte seinen Notizblick aus der Jackettinnentasche. Können wir irgendwo

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