Das Moskau-Spiel
ungestört sprechen?, schrieb er und sagte gleichzeitig: »Sie wissen so gut wie ich, dass man Fotos manipulieren kann«, dann hielt er ihr den Zettel hin.
Sie las, schaute ihn an, las noch einmal, zögerte, dann nahm sie ihm den Block aus der Hand, griff nach einem Kuli auf dem Schreibtisch und schrieb: Streng vertrau lich? Kann ich mich auf Sie verlassen?
»Wie kommen Sie auf die Idee, wir könnten Fotos fälschen. Wir sind nicht mehr in der Sowjetunion. Russland ist ein Rechtsstaat.«
Währenddessen schrieb er eilig: Zweimal ja. Ge spräch ohne Zeugen. Ich behalte es für mich.
Er hielt es ihr hin, sie nahm den Block, las, nickte und schrieb.
»Nein, nein, ich wollte Ihnen nichts unterstellen. Nur kriminaltechnisch muss das abgeklärt werden, das ist Vorschrift bei uns.« Mein Gott, was rede ich für einen Quatsch. Das glaubt doch niemand.
Frau Kustowa reichte ihm den Block, darauf stand: 20 Uhr, Bei Kolja, Neopalimovsky pereulok. Sie lächelte sogar. Dann, streng: »Sie gestatten mir die Bemerkung, dass in Ihrem Land offenbar … besondere Vorschriften herrschen. Ich bedaure, dass wir uns nicht danach richten können. Ich hoffe, ich habe alle Fragen beantwortet. Wenn Sie nun so freundlich wären, die Urne zu übernehmen?«
»Wie Sie meinen«, maulte er und steckte den Block ein. Er lächelte sie an, sie erwiderte es, und er fügte unwirsch hinzu: »Dann bitte ich um die Übernahmeformulare.«
»Bitte nehmen Sie Platz.« Sie zeigte auf den Besucherstuhl, setzte sich hinter den Schreibtisch und schob ihm einen flachen Papierstapel zu.
Er betrachtete die erste Seite. Sie war natürlich auf Russisch wie auch die folgenden Seiten. Manches verstand Theo, manches nicht.
Sie stand plötzlich neben seinem Stuhl, deutete auf die erste Seite und sagte: »Die persönlichen Angaben haben wir aus dem Pass von Herrn Scheffer übernommen. Sie müssten eigentlich nur noch hier unterzeichnen.« Sie zeigte auf ein Feld am rechten unteren Rand des Papiers.
Er unterschrieb und hoffte, es war keine Falle. Sie hatte gar nicht gezögert. Aber er hatte das Gefühl, dass er mit viel Glück und ein wenig Geschick eine kleineTür aufgestoßen hatte. Vielleicht konnte Frau Kustowa helfen, den Fall aufzuklären. Oder war die geheime Verabredung auch nur ein Trick?
In diesem Augenblick verstand er, was erfahrene Kollegen meinten, wenn sie über Intuition sprachen, also über das, was man nicht lernen kann, was einem Intelligenz und Fleiß niemals einbrachten. Aber Erfahrung. Man spürt verdeckte Bedrohungen besser, wenn man schon bedroht worden war und die Vorzeichen erkannte. Man bemerkte Fallen, wenn man schon einmal hereingelegt worden war und jene Kleinigkeiten wiedererkannte, die typisch waren für Fallen. Scheffer war so einer gewesen, der hatte das Gespür, allerdings hatte er nicht darüber geredet. Er war intelligent, irrwitzig schnell im Hirn, fleißig und erfahren. Und tot.
Er unterzeichnete auch die anderen Papiere. Es war fahrlässig, er würde zum Gespött des Dienstes, wenn sie ihn auf diese billige Weise vorführte und es herauskäme. Und es käme heraus. Aber sie würde ihn nicht vorführen. Was immer Frau Kustowa dazu brachte, mit ihm eine kleine Verschwörung zu inszenieren, ihre roten Wangen zeigten ihre Scham über das üble Spiel ihrer Vorgesetzten. Was sonst? Ihre Aufregung, eine wichtige Rolle bei einer FSB – Operation zu spielen? Theos Verstand erhob Einspruch gegen Theos Plan. Der Verstand sagte: Du bist verrückt. Lass dich auf gar nichts ein, fädele nichts ein, unterschreibe nichts, protestiere gegen die Leichenverbrennung, hinterlasse einige Unfreundlichkeiten, drohe diplomatische Verwicklungen an oder gleich den Protest des Außenministers. Aber spiele doch nicht den Schnüffler in einem Terrain, das anderen Hunden gehört, Hunden, die groß und bissig waren wie Riesenrottweiler und von denen unendlich viele herumstreunten, wogegen du allein bist. Theo gegen Russland. Lächerlich.
Doch er unterschrieb alles und verabschiedete sichvon Frau Dr. Kustowa. Als er auf der Straße stand, schüttelte er den Kopf über sich selbst.
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Wenn Mostewoj zu seiner heimlichen Geliebten gefahren wäre, hieße die Eblow und bekleidete den Rang eines Generalleutnants des FSB . Da aber die beiden FSB – Offiziere keine gleichgeschlechtlichen Ambitionen hatten, hatte Theo falsch geraten. Mostewoj und Eblow rauchten Cohibas Línea Maduro 5, die der General aus Kuba mitgebracht hatte, als er im vergangenen
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