Das Moskau-Spiel
harter Hund, wie er tut. Er macht auf Soldat, vielleicht war er nie einer, mag doch sein, dass er es deswegen umso mehr herauskehrt, weil das in Pullach gut ankommt. Da steckten den Pullachern noch die Gene derOrganisation Gehlen in den Knochen, das Erbe des Nazigenerals, der die Sowjetunion für Hitler ausspioniert hatte und nach dem Krieg das Gleiche für die Amerikaner tat und dafür zum westdeutschen Geheimdienstchef geadelt wurde. Mavick waren diese alten Geschichten zuwider. Er war ein moderner Mensch, Nazis und diese stocksteifen Steinzeitgeneräle waren für ihn Fossilien der Geschichte. Interessant nur für Paläontologen. Dieser Henri würde nicht mitmachen, ihnen vielleicht sogar Knüppel zwischen die Beine werfen. Wahrscheinlich musste er den Kerl hart angehen. Mochte sein, dass es genügte, über die Verbindungslinien nach Pullach was zu stecken. Und wenn das nicht half, würde Mavick sich etwas einfallen lassen, das gewiss helfen würde. Dann sah er ein, dass er vermutlich ungeduldig war und schon wieder begann, mit seiner Selbstbeherrschung zu kämpfen. Er sollte diesem Henri noch eine Chance geben. Womöglich würde Pullach ihm den Kopf geraderücken, oder Martenthaler kam bald selbst darauf, was er nun zu tun hatte.
› ‹
Theo saß am Schreibtisch in dem kleinen Büro, das ihm in der Botschaft überlassen worden war. Er war erschöpft von der Nacht mit Sonja, und er fragte sich, was diese Nacht bedeutete. Er fand keine Antwort. Dann zwang er sich, sich auf seinen Job zu konzentrieren. Er starrte das Bild an, das vor ihm lag. Es war offenbar geschickt gefälscht worden, jedenfalls sah es für ihn aus wie ein ganz normales Foto. Da lag Scheffer mit den nach außen abgeknickten Beinen, und jemand hatte ihn fotografiert. Und irgendjemand hatte das Foto verändert, was bei Digitalbildern ein Kinderspiel war. Und doch gab es Möglichkeiten, die Fälschung nachzuweisen, das besorgten Spezialisten mit speziellen Programmen. Keine Fälschung war so gut, dass man sie nicht aufdecken konnte. Hätte Sonja die Fälschung nicht verraten, dann hätte Theo eher darauf verzichtet, das Foto prüfen zu lassen. Es gab sonst keinen Hinweis darauf, ausgenommen die Unverschämtheit, dass sie Scheffer schnell eingeäschert hatten. Das war entweder eine bürokratische Idiotie oder ein plumper Täuschungsversuch. Aber sogar wenn die Fälschung nachgewiesen wurde, war das streng genommen noch kein Beweis dafür, dass Scheffer ermordet worden war. Um darüber etwas herauszufinden, müsste jemand mit den Zeugen sprechen. Doch das hatten die russischen Behörden untersagt. Ein weiteres Indiz, dass da etwas krummgelaufen war. Die Zeugen mussten etwas gesehen haben, das den Behörden nicht passte.
Er ließ sich alles noch einmal durch den Kopf gehen, dann entschied er sich für die offensive Variante. Theo fand die Nummer in seinem Palm und nahm den Telefonhörer ab. Er zögerte, betrachtete noch einmal intensiv das Bild, dann wählte er. Es dauerte eine Weile, bis es in Frankfurt am Main klingelte.
»Guten Morgen, ich schicke dir gleich eine Mail mit meinem PGP – Schlüssel. Mach was Gescheites daraus.«
Ein kurzes Schweigen auf der anderen Seite, dann: »Klar, danke. Ich revanchiere mich.«
Theo hatte den Journalisten bei einem Urlaub an der Nordsee kennengelernt. Wennemeier war mit sei ner jungen Frau und ihrem kleinen Sohn dort gewesen. Beim Krabbenessen in Husum war man ins Gespräch gekommen und hatte festgestellt, dass ein BND – Mit arbeiter und ein Journalist einer angesehenen Frankfurter Tageszeitung sich viel zu erzählen hatten, zu mal Wennemeier ein Faible hatte für Verschwörungen. Beim BND schätzte man es durchaus, wenn Mitarbeiter Journalisten als Kontaktpersonen akquirierten, weil sie über Informationen verfügten. Und im Gegenzug ließ man zielgerichtet etwas fallen, das nicht jeder wusste und dem Journalisten einen Schulterschlag einbrachte wegen der guten Recherche. Deshalb hatte Theo nach ein paar Tagen durchblicken lassen, dass sein wirklicher Arbeitgeber keineswegs das Münchener Liegenschaftsamt sei, ohne aber die wahre Bezeichnung seiner Behörde zu nennen. Das war auch nicht nötig, man verstand sich.
Allerdings wären die Pullacher in diesem Fall wenig begeistert von Theos Aktion gewesen, wenn sie davon gewusst hätten. Doch Theo wollte die Sache vorantreiben und sie nicht in den Mühlen der Münchener und Bonner Bürokraten zermahlen lassen. Er ahnte schon, wie die hohen Herren reagieren
Weitere Kostenlose Bücher