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Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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würden. Es sei ja nichts bewiesen, ja, das Auswärtige Amt würde nachfragen, aber es würde sich natürlich abspeisen lassen mit einer ausgetüftelten Erklärung der russischen Regierung. Nein, niemals würde die russische Justiz es zulassen, dass Behörden des Landes sich an Gästen aus dem Ausland vergingen. Niemals. Wenn es Mord gewesen sei, dann aus irgendeinem banalen Grund, Raub, Eifersucht, Alkohol, und natürlich hatten die deutschen Behörden Verständnis für den Versuch der Moskauer, diese unendlich peinliche Angelegenheit zu verschleiern. Das sei ja auch nicht weiter schlimm, der Mann sei tot und nichts könne ihn ins Leben zurückholen, nicht einmal die Wahrheit über die Umstände seines Todes. Und würden seine Anverwandten, sofern es solche gab, wirklich damit leben wollen, dass ihr geliebter Bruder, Vetter oder Onkel einem gemeinen Verbrechen zum Opfer gefallen sei, dessen Umstände nicht unbedingt das beste Licht auf den Verstorbenen warfen? Wer wisse denn, in welchen dubiosen Lokalitäten Moskaus, davon gebe es dort ja mehr als genug, Scheffer sich herumgetrieben habe? Und wenn die Moskauer Illustrierten plötzlich Fotos veröffentlichten, in denen Scheffer sagen wir mal mit leicht bekleideten Damen gezeigt würde? Also, warum einen Aufstand machen? Es würde demnächst die Gelegenheit reifen, bei der dann die Russengute Miene zum bösen Spiel machen würden. Das habe in der Vergangenheit doch ganz gut geklappt. Und schließlich und endlich, das müsse man auch bedenken, obwohl man natürlich keine Zweifel an der Zuverlässigkeit Russlands als Geschäftspartner aufkommen lassen wolle, hänge Deutschland und mit ihm ganz Europa an den Pipelines, durch die Öl und Gas in den Westen strömten.
    Theo tippte seine Mail mit Bedacht. Natürlich verschwieg er das meiste, aber immerhin erfuhr Wennemeier, dass ein deutscher Geschäftsmann in Moskau unter ungeklärten Umständen zu Tode gekommen und seine Leiche eilig verbrannt worden sei. Der Clou der Geschichte aber war das gefälschte Foto der Moskauer Rechtsmedizin, dessen eingescannte Kopie er anhängte. Ein Foto, dessen Echtheit Experten der deutschen Justiz ernsthaft bezweifelten, wie Theo formulierte. Er überlegte, ob er nicht zu forsch heranging an die Sache. Aber Sonja hatte es bestätigt, und ihre Darstellung schien ihm in jeder Hinsicht überzeugend. Da passte eines zum anderen. Und wenn diese Frankfurter Tageszeitung Verbindungen in den Moskauer Behördensumpf hatte, was, bitte schön, konnte Theo dafür?
    Nachdem er noch einmal alles überlegt hatte, schickte er die Mail mit dem eingebetteten Foto los. Über sein anonymes Mailkonto bei GMX . Niemand würde sie lesen können, die 256-Bit-Verschlüsselung und die Signatur waren sicher, und kein geistig halbwegs Gesunder in Moskau würde auf die Idee kommen, Rechnerkapazitäten zu verschwenden, um den ohnehin sinnlosen Versuch zu unternehmen, eine von täglich Hunderttausenden von Mails dieses Internet-Anbieters zu entschlüsseln, deren Absender man ohnehin nicht herausfand, wenn diese das nicht wünschten.
    Er fühlte sich gut, als er die Mail mit dem Foto versandt hatte. Das war ein Schritt, der verhindern würde, dass die Moskauer ihn auflaufen ließen. Und die Pullacherauch. Außerdem würden die deutschen Medien, sofern sie dazu in der Lage waren, eigene Recherchen anstellen und die russische Justiz reichlich nerven. Womöglich sah sich nun sogar das Auswärtige Amt genötigt, eine offizielle Anfrage zu stellen nach den Umständen von Scheffers Tod.
    Er holte sich einen Kaffee aus der Küche und stellte sich mit der Tasse in der Hand ans Fenster seines Büros. Unten, vor dem Schuppen, saß eine ausgemergelte Katze und schaute zu ihm hoch.
    Schon am Morgen weckte ihn das Telefon in seinem Zimmer im Compound. Eine weibliche Stimme, die Sekretärin des Botschafters, wie er sich gleich erinnerte, auch weil er diesen Anruf erwartet hatte. »Bitte kommen Sie zu Doktor Kaben, es ist dringend.«
    Der Botschafter hatte eine schlechte Kopie des Titelblatts der Frankfurter Zeitung vor sich liegen. War es Mord? Deutscher Wirtschaftsvertreter unter rätselhaften Umständen gestorben.
    »Können Sie sich das erklären?« Misstrauen im Blick.
    »Ich darf?« Theo nahm sich die Kopie. Es stand nicht viel darin. Der wichtigste Punkt war die Behauptung, die Moskauer Rechtsmedizin habe die Leiche ohne Rücksprache mit deutschen Stellen verbrannt und ein offenbar gefälschtes Obduktionsfoto übergeben. Und dann

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