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Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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ergeben hatte. In diesen Tagen des Wartens hatte er versucht, Sonja zu erreichen, aber die Rechtsmedizin speiste ihn ab mit der Auskunft, die Frau Doktor Kustowa habe aus dienstlichem Grund verreisen müssen und man wisse nicht, wann sie zurückkehre. Dann rief er Staatsanwalt Salachin an und teilte ihm mit, dass die Rechtsmedizin ihm ein gefälschtes Obduktionsfoto ausgehändigt habe, ganz offensichtlich in der Absicht, die wirkliche Ursache von Scheffers Tod zu vertuschen. Er sei empört und nicht bereit, das mit sich machen zu lassen. Seine Regierung werde geeignete Schritte veranlassen. Der Staatsanwalt war die Höflichkeit in Person und bat nur darum, ihm diese Einwände schriftlich zukommen zu lassen. »Sie wissen ja, wie das ist. Die Akten.« Theo verfasste eine Notiz, in der er erklärte, dass es schwerwiegende Indizien für eine Fälschung gebe, und verwies auf einen abschließenden Untersuchungsbericht aus Berlin. Seine Hoffnung, die Dinge so beschleunigen zu können, erfüllte sich jedoch nicht. Der Staatsanwalt erwiderte nichts, und es äußerte sich auch keine andere Behörde.
    Er verbrachte die restliche Zeit als Tourist, weil ihm nichts einfiel, was er noch hätte tun können ohne den Nachweis, dass das Bild eine Fälschung sei. Nach einem verschlafenen Wochenende voller Sehnsucht nach Sonja, an dem er sich Szenen ihrer Nacht wieder und wieder ins Gedächtnis gerufen hatte, kam per Diplomatenpost ein kurzes Schreiben des BKA an die Pullacher Dienststelle, aus dem zweifelsfrei hervorging, dass es sich bei dem Foto keineswegs um eine Fälschung handle. Eine Stunde später schon erreichte ihn eine verschlüsselte Mail von Wennemeier, die aus eineinhalb Zeilen bestand:
    Vielen Dank fürs Foto. Verarschen kann ich mich selbst. Bitte künftig von Zuwendungen absehen. W.
    Wieder versuchte er Sonja zu erreichen, und als es ihm nicht gelang, begann er zu begreifen, dass er die Ermittlungen in den Sand gesetzt hatte. Er hatte sich bis auf die Knochen blamiert. Sie hatten ihn hereingelegt wie einen Anfänger. Und weil er vorgeprescht war wie ein Idiot, hatte er sich und die Ermittlungen unglaubwürdig gemacht. Mit Verweis auf die Untersuchung deutscher Behörden würde die Moskauer Staatsanwaltschaft alle Verleumdungen deutscher Ermittler zurückweisen und triumphierend verkünden, dass auch die Lügen der deutschen Presse restlos widerlegt worden waren. Sie hatten Theo am Nasenring durch Moskau geführt. Und er war in die älteste Falle der Welt getappt.
    Er fuhr mit der Metro ein Stück in Richtung Innenstadt, stieg an irgendeinem Bahnhof aus, setzte sich in eine Kaschemme mit abgesessenen Stühlen und fleckigen Tischen, bestellte Wodka und fing an zu trinken. Dabei dachte er an Sonja, wie sie zusammengesessen hatten und wie schön sie gewesen war und wie sie ihn lächelnd verleitet hatte, dieses verfluchte Spiel mitzuspielen. Er schlug auf den Tisch, was aber nur die Wirtin zu einem kurzen Blick veranlasste. Dann brachte sie die ganze Flasche.
    › ‹
    Tatsächlich machte Rachmanow sein Versprechen vom Industriellenempfang wahr und rief Henri an. Er würde ihn gern zu einem opulenten russischen Mahl einladen. Wann, könne Henri bestimmen, wo, wolle aber er festlegen, was nicht zum Schaden seines Gastes sei. Henri sah ihn fast lächeln am Telefon. Rachmanow war ein freundlicher Mann, das hatte Henri begriffen. Und natürlich arbeitete Rachmanow für das KGB , wenigstens nebenberuflich wie ein paar weitere Hunderttausend Sowjetbürger auch. Die Staatssicher heit gehörte eben zum Sowjetleben wie die Partei, die Gewerkschaft, die Spartakiade oder die Siegesparade am 9. Mai, und worin sollte der große Unterschied zwischen Partei und Geheimdienst bestehen? Henri benei dete das KGB manchmal ein wenig, denn die westdeut schen Geheimdienste wurden vor allem beargwöhnt. Geheimdienst ist Spitzelwesen. Aber so dachte in der Sowjetunion kaum jemand, gerade dort, wo am meisten gespitzelt wurde.
    Sie verabredeten sich gleich am Abend, auch weil Henri neugierig war, was Rachmanow wollte, und weil dieser es offenbar eilig hatte, auch wenn ihm seine Höflichkeit verbot, Henri zu bedrängen. Aber da war etwas in der Stimme des Russen, das Henri auffiel und das er als Aufforderung verstand. Was wollte Rachmanow, der stellvertretende Vorsitzende des Rundfunkkomitees?
    Er erfuhr es im Wolga, am Chimki-Staubecken gele gen, mit einem überwältigenden Büfett, einem nicht besonders großen Gastraum und einem kleinen Nebenzimmer,

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