Das Moskau-Spiel
stand da noch, dass der mit den Nachforschungen beauftragte Ermittler aus Berlin zu einer Stellungnahme nicht bereit gewesen sei.
Theo schüttelte den Kopf, was Unverständnis oder Empörung ausdrücken mochte. »Ich habe keine Ahnung, wie die darauf kommen. Erstaunlich gut informiert. Haben wahrscheinlich jemanden in der Rechtsmedizin bestochen. Man könnte den hiesigen Korrespondenten fragen, aber wie ich das kenne, sagt der nichts. Quellenschutz.« Er legte die Kopie zurück auf den Tisch. Und ärgerte sich, dass Wennemeier ihndoch hineingezogen hatte. Aber da konnte sich Theo leicht herausreden.
Kaben versank fast in seinem überdimensionierten Bürosessel hinter dem riesigen Schreibtisch. Seine Wampe ragte Theo entgegen, die Stirn glänzte. Obwohl er Theo gegenübersaß, musterte er ihn wie von der Seite. »Und Ihnen ist nichts aufgefallen bei diesen Leuten in der Rechtsmedizin oder der Polizei?«
»Exzellenz!« Nun wurde Theo förmlich. »Wenn mir etwas aufgefallen wäre, hätte ich es gleich gesagt. Bis vorhin« – er deutete auf die Zeitungskopie –, »bis vorhin wäre ich nicht auf die Idee gekommen, dass irgendein Pressefuzzi auch nur irgendetwas gerochen hätte von der Sache. Offenbar gibt es mal wieder undichte Stellen, in der Botschaft« – Kaben ließ Ärger in seinem Gesicht aufscheinen –, »vielleicht bei uns oder im Innenministerium. Ich weiß ja selbst nicht, wer alles mit dieser Sache vertraut ist. Ich bin nur der Mann, der die Fragen stellt, die andere formulieren. Meine Berichte landen in Pullach und natürlich beim Kanzleramt und beim Außenministerium. Wahrscheinlich gehen Kopien ans Justizministerium, womöglich ist schon eine Staatsanwaltschaft mit der Sache befasst. Sie wissen doch, wie das ist. Ich habe meinen Bericht gestern Abend geschrieben und auch darum gebeten, dass man dieses Foto untersucht. Aber das geht mit dem Kurier, der erst morgen in Berlin ist. Bis das Untersuchungsergebnis des BKA vorliegt, wird’s eine Weile dauern.« Er kratzte sich an der Schläfe. »Umso erstaunlicher, dass die« – ein Fingerzeig auf die Kopie – »jetzt schon von einer Fälschung ausgehen … Und gefragt hat mich übrigens keiner von der Presse, weshalb es eine Frechheit ist, mir eine solche Presseanfrage anzudichten.«
Ein langer Blick des Botschafters. »Und Sie halten das Foto für echt?«
Theo hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. »Die Umstände machen es schwer, das zu glauben.
Immerhin haben sie die Leiche schnurstracks verbrannt.«
Kaben nickte. »Allerdings, die machen hier manchmal unerklärliche Dinge. Da weiß die eine Hand nicht, was die andere tut. Früher herrschte die Sowjetschlamperei, heute die Putin-Hektik. Vielleicht ist das alles ein Missverständnis und Scheffer kam tatsächlich bei einem Unfall um.«
Theo zeigte Kaben kurz seine Handflächen. »Offen gesagt, ich wüsste nicht, wie ich mit meinen Möglichkeiten« – es klang so wie: mit meinen nicht vorhandenen Möglichkeiten – »etwas herausfinden könnte, das uns auch nur im Ansatz Aufschluss brächte. Vielleicht, so ärgerlich die Sache grundsätzlich ist, vielleicht hilft der Artikel. Er bringt, wie soll ich es sagen, ein wenig Schwung in die Sache. Wissen Sie was, ich werde mir eine Kopie machen, wenn Sie gestatten, und damit meine Moskauer Freunde ein bisschen ärgern.« Natürlich wusste Theo, dass er Unsinn redete. Niemand würde sich wegen eines Artikels in einer ausländischen Zeitung aufregen. Sie würden einfach abwinken. Man weiß doch, was die Zeitungen so zusammenschmieren. Und dass die Westmedien Russland verleumdeten, na, das war man gewohnt. Die fünf Intellektuellen, die in Russland deutsche Zeitungen lasen, waren sowieso schräge Vögel. Und ob die nun meckerten oder nicht, das kräuselte keine Welle auf der Moskwa.
Kaben schaute ihn neugierig an. »Mag sein. Wenn Sie mich fragen, ist es sowieso egal, was bei uns in der Zeitung steht. Das Einzige, was wir denen ankreiden können, ist die Tatsache, dass sie die Leiche verbrannt haben. Dafür werden sie einen Sündenbock finden, den sie hart bestrafen, und das war’s dann.«
»Immerhin«, sagte Theo, »jetzt kann niemand mehr die Sache einfach so unter den Teppich kehren.«
»Gut, und was haben Sie jetzt vor?«
»Ich werde warten, was die Auswertung des Bildesergibt. Und dann wird mir Berlin mitteilen, was ich zu tun habe.«
Es dauerte eine knappe Woche, bis Theo übermittelt wurde, was die Untersuchung des Fotos und der Urne
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