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Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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ihn zum Wagen geführt hatten, hatte er genutzt, sich auf seine Lage einzustellen. Er kannte Erfahrungsberichte von Verhaftungen durch das KGB , und seine Bewacher hatten sich verhalten, wie er es immer erwartet hatte. Durch brutales Zuschlagen einen Schock auslösen, der einen wehrlos machen sollte, dann ab in die Lubjanka und sofort zum Verhör, um Zeit zu gewinnen, bevor die Botschaft ihn herauspaukte.
    »Informieren Sie meine Botschaft«, sagte Henri mit betont kräftiger Stimme, nachdem sie ihn auf eine Bank gezerrt hatten, ein KGB – Mann auf jeder Seite. Der mit dem Rasierwasser saß rechts und grinste ihn an. Auf der Bank davor saß der Typ mit den Bartstoppeln und schien sich nicht für das zu interessieren, was hinter ihm vorging. Sie waren ein Greifertrupp und mussten ihn abliefern, dann hatten sie mit dem Spion nichts mehr zu tun.
    Henri erhielt keine Antwort.
    »Informieren Sie die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland!«
    Keine Antwort.
    Er sah nicht, wohin sie fuhren, aber er wusste es. Er hatte sich dieses Szenario schon mehrfach ausgemalt. Henri hatte keine Angst, außer vor weiteren Misshandlungen. Der Wagen fuhr schnell, die Luft in demnur durch eine Deckenleuchte erhellten und überhitzten Laderaum stank schon nach wenigen Minuten nach Schweiß, dem ekelhaften Rasierwasser, Öl und Benzin. Der Bauch schmerzte vom Schlag. Die Hände waren taub.
    Der Wagen hielt, in der Fahrerkabine sagte jemand etwas, dann fuhr er weiter. Kurze Zeit später bremste der Fahrer, stieß zurück, wieder nach vorne, hielt an und stellte den Motor ab. Die Seitentür wurde aufgeschoben. Draußen zwei Uniformierte. Der mit dem Rasierwasser stieg aus und zog Henri an der Schulter aus dem Wagen. Der erwartete weitere Schläge und straffte die Bauchmuskulatur, aber sie begnügten sich damit, ihn den Uniformierten zu übergeben. Er sah sich um, es war der Hof der Lubjanka. Aus einer Tür, die Henri nicht wahrgenommen hatte, trat ein weiterer Uniformierter mit den Dienstgradabzeichen eines Oberleutnants. »Kommen Sie«, sagte er und ging voraus. Die beiden KGB – Milizionäre begleiteten ihn links und rechts. Sie betraten das Gebäude, dann marschierten sie nach links, dann nach rechts, dann einen langen Gang entlang, eine Treppe hinunter, bis sie vor einer von vielen Türen in einem Kellergang hielten. Der Oberleutnant klopfte und öffnete die Tür. Dann winkte er Henri hinein.
    Es war ein Verhörraum, kahl bis auf einen Schreibtisch, einen Stuhl davor, einen in der Ecke neben der Tür. Hinter dem Schreibtisch saß ein kräftiger Mann. Seine Epauletten wiesen ihn als Major aus, seine Dienstmütze lag auf dem Schreibtisch neben einem großen schwarzen Telefon mit Wählscheibe und verschiedenfarbigen Knöpfen. Der Major sah eher gemütlich aus, schaute ihn fast freundlich an, dann sagte er: »Ausziehen!«
    »Ich protestiere! Ich genieße Immunität!«
    »Sie genießen die Gastfreundschaft des Komitees für Staatssicherheit«, sagte der Major freundlich. »Und jetzt ziehen Sie sich aus. Oder sollen wir Ihnen helfen?« Sein Blick wanderte zu den beiden Milizionären.
    Henri zog erst seinen Mantel aus, dann sein Jackett,und legte sie auf ein Handzeichen des Majors auf den Schreibtisch. Der Oberleutnant begann die Kleidung zu durchsuchen, während Henri auch die Schuhe und dann die Hose auszog. Mit einem Nicken forderte der Major Henri auf, sich auch des Hemds zu entledigen. Als er das Hemd auf den Schreibtisch gelegt hatte, nickte der Major zufrieden. »Das genügt.«
    Henri fühlte sich elend, während der Oberleutnant fast betont langsam und gründlich die Taschen auf dem Schreibtisch entleerte, den Stoff und vor allem die Säume abtastete, die Schuhe einer genauen Prüfung unterzog und sich zuletzt nicht weniger gründlich mit dem Gürtel beschäftigte.
    »Bitte ziehen Sie sich wieder an«, sagte der Major. Dann setzte er sich auf seinen Stuhl und zog vor sich, was Henri in seinen Taschen gehabt hatte. Unter dem Portemonnaie lag der geknickte Umschlag des Spions mit neuen Zeichnungen und Daten des Projekts R-33. Wie um die Sichtung als Drama zu gestalten, betrachtete der Major erst das Portemonnaie, zog die Papiere aus den Fächern, zählte das Geld, steckte alles wieder hinein und schob es Henri über den Tisch zu. Henri nahm das Portemonnaie und steckte es ein. Der Major beschaute den Schlüsselbund, dann ein paar Zettel mit Notizen, die in Henris Taschen gesteckt hatten, und reichte alles seelenruhig zurück. Henri

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