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Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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stellen. Und er würde sich vorbereiten.
    Er schaltete den Computer ein und begann nach Li teratur zu suchen über die Politik der Achtzigerjahre. Er stieß gleich auf Hochrüstung, NATO – Doppelbeschluss, neue sowjetische Raketen und Atombomber, Krieg der Sterne, Neutronenbombe. Er schrieb sich ein paar Bü cher und Fachaufsätze heraus. In der Wikipedia las er einige Übersichtsartikel, aus denen wenig überraschend hervorging, dass die Hochrüstung der beherrschende Streit dieser Zeit war. Er las über die Komman dostabsübung Able Archer 83, bei der die NATO im November dieses Jahres unter größter Geheimhaltung einen Atomkrieg simulierte, was in Moskau als Vorbe reitung für einen Angriff missverstanden wurde und die Welt an den Rand des Untergangs rückte. Davor die Sowjetintervention in Afghanistan, aber auch Militärak tionen der USA , offen etwa gegen Grenada, verdeckt zum Beispiel gegen Nicaragua. Der amerikanische Prä sident Reagan, der glaubte, sein Land vor Atomraketen schützen zu können, und damit die Abschreckung aushöhlte, jene geistige Perversion, der man angeblich den Frieden verdankte, oder was man dafür hielt. Natürlich hatte Theo darüber einiges gelesen, er war historisch und politisch interessiert und verachtete die Dumpfbacken im Dienst, die von morgens bis abends ans Wochenende und die Pensionen dachten und sich die Zeit bis dahin durch Glotzen und die Lektüre von Primitivliteratur totschlugen. Aber nun wollte Theo es genau wissen. Was haben Agenten in Moskau und anderswo gedacht in dieser Zeit? Was waren ihre Interessen? Ihre Sorgen und Ängste? Er wollte sich in sie hineinversetzen, begreifen, wie sie tickten.
    Er duschte, rasierte sich endlich, zog saubere Kleidung an und verließ zum ersten Mal seit Tagen, er hatte vergessen, wie viele er versumpft hatte, die Wohnung.
    Draußen war es kalt, aber klar. Eine Luft, die einen aufweckte, die einem durch die Gehirnwindungen pustete und half, die Depression zu vertreiben. Er fuhr mit dem Auto in die Innenstadt, er würde einiges zu tragen haben. Er fand einen Platz in einem Parkhaus in der Stadtmitte, nur ein paar Schritte vom Marienplatz. Er war schon am Morgen bevölkert mit hektischen Passanten und trödelnden Touristen, die das Rathaus bewunderten und im Ewigen Licht Weißwürste essen würden, weil das der Reiseführer empfahl.
    Theo war nicht nach Touristen, Münchnern und Weißwürsten zumute, sondern nach dem Buchkaufhaus, das seit Jahrzehnten hier lag. Er durchforstete die Stock werke, blätterte eine Weile in Aquarienbüchern, zog dann aber weiter, fand unter Geschichte einiges, auch unter Politik, überlegte, ob er die Memoiren Helmut Schmidts erstehen sollte, worauf er dann doch verzich tete, da er den selbstgerechten Alten schon so oft im Fernsehen gesehen hatte. Man konnte von dem Mann ja schließlich nicht erwarten, dass er zugab, die Welt mit an den Abgrund bugsiert zu haben, gewissermaßen aus Versehen. Theo lächelte. Er stellte sich vor, wie das aussah, die Welt am Abgrund, und Schmidt, der sie hingerollt hatte, ohne zu sehen, dass es einen Abgrund gab.
    »Kann ich Ihnen helfen?« Eine Buchhändlerin sprach ihn an. Sie hatte kurze schwarze Haare und sorgfältig eingearbeitete weiße Strähnchen, als wollte sie demonstrieren, dass sie es nicht nötig hatte, den Kampf gegen graue Haare zu führen. In ihrem Gesicht glänzten große dunkelbraune Augen, an der Nasenwand glitzerte eine Perle. Sie trug eine hochgeschlossene schwarze Bluse und schwarze Jeans.
    Theo gefiel sie sofort, und er lachte, als er sich vorstellte, wie sie ihn da hatte stehen sehen, geistesabwesend, versunken in einer anderen Zeit. »Das würde mir gefallen«, sagte er.
    Sie lachte. »Was würde Ihnen gefallen?«
    »Na, wenn Sie mir helfen könnten. Aber ich fürchte, mir ist nicht zu helfen.«
    Sie lachte wieder. Offenbar lachte sie gern, und Theo gefiel, wie sie lachte. Sie schaute auf den Stapel in Theos Arm. »Vielleicht wollen Sie das irgendwo zwischenlagern?«
    Er nickte. Erstaunlich, ich habe keine Angst. »Ich lagere zwischen, und wir gehen ins Café um die Ecke …«
    Sie grinste. Sie konnte wirklich frech grinsen. Sie war jünger als er, aber offenbar selbstbewusster. Sie drehte sich um, als wollte sie prüfen, ob jemand mithörte. »Dann schmeißen die mich hier raus. Wollen Sie das?«
    »Zurzeit nicht«, sagte Theo. Er war so mutig. »Und heute Abend?«
    »Hm«, sagte sie, dachte ein wenig nach, schaute ihn äußerst kritisch an und nickte

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