Das Mozart-Mysterium
Verhaltens. »Und?«
»Jahaa! Das war ein Schlingel«, sagte die alte Frau mit sichtlichem Vergnügen an der Geschichte, die sie nun erzählte. »Die schöne Salome war die Tochter des Bürgermeisters, heißt es – mich gab es damals noch nicht, obwohl ich vielleicht so alt aussehe.« Sie kicherte erneut. »Aber: Der gute Erzbischof verliebte sich auf einer Feier in die schöne Tochter. Doch wollte diese Salome kein abgeschlagenes Haupt, sondern verdrehte nur dem Erzbischof den Kopf!« Wieder das Kichern, das allmählich ansteckend auf mich wirkte. Sie erzählte die abenteuerliche Geschichte weiter: »Der gute Erzbischof war so vernarrt, dass er trotz allen Unmutes des Klerus die schöne junge Dame, die damals etwa 17 war, als Geliebte nahm. Der Bürgermeister war zunächst nicht sehr begeistert, konnte jedoch wenig dagegen ausrichten, da der Erzbischof bereits zu der Zeit der mächtigste Mann hier und in der weiten Umgebung war, wie Sie sicher wissen. Um nicht allzu viel Unfrieden zu stiften und die Geliebte jederzeit ungestört treffen zu können, ließ der brünstige Bischof für Salome in kürzester Zeit am Ortsrand des rechten Ufers einen eigenen Palast mit ausgedehntem Lustgarten errichten, die Altenau, nach Salome Alt benannt. Die Anlage ist denn auch sehr gut gelungen, möchte man sagen, aber schon der Nachfolger des Wolf Dietrich, Erzbischof Markus Sittikus, räumte nach dem Tode der schönen Salome mit den Zuständen auf und nannte die Anlage fürderhin das Mirabell-Schloss – diesen Namen kennen Sie ja wohl!«
Wir fielen aus allen Wolken, war das Mirabell doch eines der bekanntesten Bauwerke Salzburgs! Wir bedankten uns recht herzlich und der Maestro drückte ihr einige Münzen in die Hand als Entlohnung, die sie jedoch heftig ablehnte. Obwohl die Kräuterfrau eher armselig wirkte, hatte sie einen ausgeprägten Stolz.
Sogleich machten wir uns zum Mirabell-Schloss auf, nahmen jedoch einen Umweg über Thereses Haus, wo wir rasch die Zofe absetzten. Wir fuhren in der Kutsche zügig weiter zum Schloss, vorbei an der großen Dreifaltigkeitskirche und hatten das Ziel nach wenigen Minuten erreicht. Da die Sonne bereits tief stand, mussten wir uns sehr beeilen. Vor dem Schloss war ein großer, kupferner Pegasus errichtet, dessen Metall in der Sonne glänzte.
Mozart sprach sogleich beim Verwalter des Schlosses vor, der – Gott sei’s gedankt – den Maestro kannte, da auch das Schloss zum Besitz des Bischofs Schrattenbach gehörte, Mozarts Arbeitsherrn. Wir gaben vor, das Gebäude und den Garten für eine geplante Musikvorführung in Augenschein nehmen zu müssen, um die die Aufstellung des Orchesters und den besten Vorführort zu prüfen. Wir waren uns beide bewusst, dass dies zu größeren Problemen führen konnte, aber es blieb uns aus Zeitdruck keine andere Wahl. Zudem war zu hoffen, dass der Leipziger Geheimrat, der ja Gast des Bischofs war, ein gutes Wort für uns einlegen würde. Der Verwalter ließ uns also widerwillig ein.
Zunächst wollten wir in den weithin berühmten, großen Garten gehen, der nach Einbruch der Dunkelheit nur schwer zu erhellen wäre und daher zuerst untersucht werden musste. Gleich im Garteneingang wurden wir von zwei Reihen edler Skulpturen begrüßt: mehrere antike Götter und Göttinnen waren dargestellt, der Mittelgang von zwei fechtenden Paaren eingegrenzt. Überall erblickten wir Skulpturen der schönsten Art, fein gearbeitete Steinvasen und Figuren. Ein Weg inmitten zweier Blumenbeete führte uns zu einem großen Brunnen, der von vier Plastiken mit mythologischen Motiven gesäumt wurde: Dargestellt waren der Raub der Helena, Äneas, der das brennende Troja verlässt, Herkules und Antäus sowie der Raub der Persephone.
Mir entging nicht die Ironie, dass zwei berühmte Frauenentführungen ausgerechnet an einem solchen Orte präsentiert wurden. Ein weiterer Brunnen glänzte seitlich von uns im Abendlicht. An das Schloss selbst, das ein dreigeschossiger, im Viereck angelegter Bau mit langen Balkonen und einem großen Innenhof war, schmiegte sich eine umfangreiche Orangerie, die wiederum von Krügen eingerahmt wurde.
Ich hörte lautes Zirpen und flötenden Gesang und entdeckte, dass zu allem Überfluss auf der anderen Seite des Gartens eine riesenhafte Volière stand, in der unzählige Vögel umherflatterten.
Mozart nahm den Papierbogen mit dem dritten Rätsel aus seiner Jackentasche und las es erneut vor, damit wir unser Gedächtnis auffrischen konnten:
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